Ich mache seit vielen Jahren Hochtouren, typischerweise jeweils von 2–4 Tagen Dauer. Ich bin 58 Jahre alt und fühle mich gesund und fit. Ich treibe regelmäßig Sport (Judo, Jogging, Bergsport).
Häufig schwellen innerhalb der ersten Nacht nach Rückkehr ins Tal meine Knöchel und Unterschenkel an und meine Ausdauerleistung reduziert sich markant. Dies scheint umso ausgeprägter zu sein, je höher ich unterwegs war. Am deutlichsten zeigte sich dies nach Besteigung des Mont Blanc. Einige Tage nach Rückkehr ins Tal musste ich beim Treppensteigen nach 5 Stufen innehalten und ausruhen. In der Regel verschwinden alle Symptome nach einer Woche, nach dem Mont Blanc dauerte es zwei.
Vor kurzem war ich am Tag nach einer Hochtour (Übernachtung auf 2900m, Gipfel am Folgetag 3454m) zufälligerweise beim Arzt, und dieser maß meinen Blutdruck: 145⁄85. Auch diagnostizierte er Ödeme in beiden Beinen. Nach einer Woche war mein Blutdruck wieder normal: 116⁄58, und die Ödeme verschwunden. Eine Woche später Übernachtung auf 2000m, Gipfel 3000m. Wieder beobachtete ich nach Rückkehr ins Tal Ödeme in beiden Beinen. Nach 4 Tagen waren diese wieder weg. 4 Tage später Übernachtung auf 2900m, Gipfel 4100m und zweite Übernachtung auf 3200m. An beiden Tagen keine Ödeme beobachtet, auch nicht nach Abstieg ins Tal.
Ich nahm immer an, dass diese Symptome Ausdruck einer leichten Höhenkrankheit waren, und dass ich mir deswegen keine Gedanken machen muss. Allerdings hat mich die Blutdruckmessung etwas verunsichert. Ich stelle mir nun die folgenden Fragen:
1) Sind diese Symptome wenn immer möglich zu vermeiden? D.h. ich müsste dann defensiver akklimatisieren. Was sind die Risiken wenn ich dies nicht tue?
2) Wenn ich nach Rückkehr ins Tal geschwollenen Füsse und eine reduzierte Ausdauerleistung beobachte, sollte ich dann ruhen, leicht trainieren oder dies einfach ignorieren?
3) Was ist die wahrscheinlichste Ursache der zeitweiligen Reduktion meiner Ausdauerleistung? Wieso beobachte ich diese in der Regel verzögert, d.h. am Tag der Tour scheint eigentlich alles in Ordnung zu sein. Ich merke da natürlich die Höhe, doch ich kann mit einer schnelleren Atemfrequenz trotzdem subjektiv meine Herzleistung aufrechterhalten.
Ich wäre sehr interessiert, wenn Sie mir meine obigen Fragen beantworten könnten oder mir Tipps geben, wer dies möglicherweise tun könnte. Vielleicht sind dies ja bekannte Phänomene. Dann könnten Sie mir unter Umständen die Referenzen von entsprechenden Artikeln weiterleiten.
Antwort von Hoehenmedizin.org
Ödeme an verschiedenen Regionen unseres Körpers in großen und extremen Höhen sind ein bekanntes Phänomen. Oftmals kommen solche Wassereinlagerungen lokalisiert, also nicht im gesamten Körper, vor – so wie bei Ihnen z.B. an Knöcheln und Unterschenkeln. Wenn sich die Ödeme generalisiert ausbreiten, werden Sie deutlich an Gewicht zulegen, da Sie literweise zusätzliches Wasser unter Ihrer Haut mit sich tragen. Bekannter sind die Wassereinlagerungen der inneren Organe: Lunge (HAPE), Gehirn (HACE) aber auch der Darm kann betroffen sein mit Verdauungsproblemen und Bauchschmerzen.
Die Ursache dieser Ödeme ist der Sauerstoffmangel in großen und extremen Höhen. Die Kapillaren bekommen mikroskopisch keine Undichtigkeiten und pressen Wasser in das umliegende Gewebe ab. Auch wenn die Ursache nach Rückkehr ins Tal wegfällt, bleiben die Ödeme noch eine Weile bestehen, denn die Gewebeflüssigkeit muss nun den umgekehrten Weg nehmen, um wieder aus ihrem Körper hinauszugelangen.
Wenn Sie bedenken, dass Sie den Wasserrucksack mit sich schleppen müssen, können Sie sich sicher vorstellen, dass Ihre Ausdauerleistung auch nach Rückkehr ins Tal noch beeinträchtigt ist, bis Sie diesen Ballast wieder losgeworden sind.
Zu Ihren Fragen:
Sicher ist Akklimatisation die beste Prophylaxe, um einer Höhenproblematik vorzubeugen. Eine Garantie für Beschwerdefreiheit gibt es indes nicht, auch wenn Sie noch so seriös vorgehen.
Wenn Sie die eingeschränkte Leistungsfähigkeit im Tal beobachten, dann sollten Sie nicht besorgt sein, sofern sich Ihre Leistungsfähigkeit nach einigen Tagen normalisiert. Falls das nicht der Fall sein sollte, suchen Sie bitte einen Kardiologen auf.
Die dritte Frage haben Sie oben beantwortet: Wassereinlagerungen geben Grund genug, dass Sie eine reduzierte Leistung bei sich beobachten. Diese Ödeme treten oftmals nicht unmittelbar auf sondern mit zeitlicher Verzögerung. Stellen Sie sich das nächste Mals einfach auf die Wage und sein Sie nicht erstaunt, wenn Sie trotz immenser Anstrengung und sportlicher Tätigkeit zugenommen haben sollten.
Folgefrage
vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen. Somit hätten wir die Ödeme abgeklärt. Ich habe noch zwei Folgefragen betreffend der unten beschriebenen zeitweilig erhöhten Blutdruckwerte. Auch hier ist das Phänomen klar reproduzierbar, d.h. nach schlechter Akklimatisation beobachte ich zurück im Tal die unten beschrieben erhöhten Blutdruckwerte. Innerhalb ca. einer Woche normalisiert sich das ganze jeweils. Auch habe ich unter Belastung nie irgendwelche Schmerzen im Herzbereich verspürt, weder auf der Tour, noch danach. Ich beobachte einfach nur, “dass die Pumpe (im Tal) für einige Tage nicht voll funktioniert”.
1) Lässt sich diese Beobachtung auch mit den Ödemen erklären, welche abgebaut werden müssen, oder bedarf dies einer kardiologischen Abklärung?
2) Sind diese während einiger Tage erhöhten Blutdruckwerte irgendwie beunruhigend oder schädlich? Ich habe in einem paper gelesen (“Namche”, p 3115⁄3116 in Parati et al., European Heart Journal (2014) 35, 3113–3121), dass bei Menschen in meiner Alterskategorie (>50J) in der Höhe erhöhte Blutdruckwerte (~144 /95) beobachtet wurde. Vielleicht ist dies somit einfach der “Preis”, den man bezahlen muss, wenn man auch nach 50 in die Höhe steigen
Antwort von Hoehenmedizin.org
eine “nicht funktionierende Pumpe” könnte man auch als Herzinsuffizienz werten. Auch wenn Sie definitiv sehr leistungsfähig sind, könnte man Ihre Problematik damit hinreichend erklären. Da man niemals Ferndiagnosen stellen sollte, würde ich Ihnen raten, bei solchen Beschwerden einen Kardiologen aufzusuchen.
Zu ihrer zweiten Frage: Auch ohne Höhenexposition zeigt sich bei normotensiven und auch hypertensiven Individuen eine lineare altersabhängige Zunahme des systolischen und diastolischen systemischen Blutdruckes ab dem 30. Lebensjahr (siehe Anhang). Die Erhöhung des Blutdruckes in großen und extremen Höhen ist eine bekannte Tatsache, die Mechanismen sind diesbezüglich noch nicht vollständig geklärt. Aber ein kurzfristig erhöhter Blutdruck ist für Sie nicht schädlich, sofern Sie sonst keine Symptome (Brust- oder Kopfschmerzen) haben.
Literatur: Franklin SS et al.: Hemodynamic Patterns of Age-Related Changes in Blood Pressure. The Framingham Heart Study. http://dx.doi.org/10.1161/01.CIR.96.1.308
Hallo,
Meine Frage bezieht sich auf einen 9 jaehrigen Jungen der eine Form von Höhenkrankheit hat die ich nicht verstehe.
Er lebt auf 3.600 Metern und immer wenn er in tiefer gelegene Gegenden ‑1.700m-fährt, für 2 Tage, hat er bei der Heimfahrt nach der Ankunft schwere Symptome einer Höhenkrankheit Kopfschmerzen, Übelkeit, Kurzatmigkeit. Man muss mit ihm jedesmal zur Notaufnahme. Der Arzt meinte daß es eine normale Höhenkrankheit sei und deshalb sehr langsam Heimfahren sollte. Das haben wir versucht aber trotzdem die gleichen Beschwerden. Der Junge ist auf 3.600 völlig gesund und agil wie jeder andere auch.
Hallo Frank,
dieses Thema taucht seltener in der Literatur auf und auf unserer Webpage haben wir es noch gar nicht behandelt. Der Grund hierfür: Die meisten Berggänger aus dem Tiefland gehen nur für kurze Zeit in die Höhe und kehren danach wieder in ihre vorherige Lebenssituation zurück. Daher werden die Fragen immer nach dem Problem in der Höhe und nicht dem im Tiefland gestellt.
Was Sie hingegen beschreiben, nennt man De-Akklimatisations-Syndrom. Die Ursachen für dieses – auch “drunk oxygen syndrome” genannte – Problem sind noch wenig bekannt. Die Symptome sind recht unspezifisch und so, wie Sie selbige beschrieben haben: Kurzatmigkeit, Brustkorbdruck, Schwindel, Schlaflosigkeit, Schwäche, Müdigkeit, Ödeme und sogar Gedächtnisstörungen werden beschrieben. Nach einiger Zeit kann es auch zu Gewichtsverlust und Blutarmut kommen. Typischerweise haben die Betroffenen vorher Monate bis Jahre auf großen Höhen gelebt und waren hier völlig beschwerdefrei, also akklimatisiert. Das Auftreten dieses De-Akklimatisations-Syndromes beträgt zwischen 60% und 99%, das heißt, auf die eine oder andere Art leidet fast jeder Hochland-Rückkehrer an dieser Problematik. Je größer die Höhendifferenz des Abstiegs ist, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten und desto höher ist auch der Schweregrad der Erkrankung. Weiterhin bekommen Menschen, die in Höhenlagen einer schweren körperlichen Tätigkeit nachgegangen waren, bei Tiefland-Rückkehr eher ein De-Akklimatisations-Syndrom als solche, die sich körperlich weniger verausgabt hatten.
Die Zeit bis zur Normalisierung der einzelnen Blut-Laborwerte und damit auch der Symptome nach Rückkehr von einem langen Höhenaufenthalt kann bis zu einem Jahr betragen.
Bevor aber die Diagnose “De-Akklimatisations-Syndrom” gestellt wird, müssen alle anderen körperlichen Erkrankungen (Herz‑, Lungen‑, Nieren‑, Bluterkrankungen) sicher ausgeschlossen werden.
Literatur: Qiquan Zhou et al.: Regular observation of De-Acclimatization and randomized controlled research of diagnostic criteria of High Altitude De-Acclimatization Syndrome among different plateau migrants crowd after their return to the plain. Occupational Diseases and Environmental Medicine, 2014, 2, 86–100