Anfra­ge an Hoehenmedizin.org

Guten Tag und zunächst ein­mal vie­len Dank für die Mög­lich­keit, hier Sor­gen und Fra­gen los­zu­wer­den. Ich bin in der 6. Woche schwan­ger und in weni­gen Tagen steht unser Urlaub mit Hotel auf 1700 Metern an. 6 Näch­te. Ich kom­me aus dem Flach­land – 250 Meter – und die Anrei­se wür­de inner­halb eini­ger Stun­den per Auto stattfinden.

Ich habe gele­sen, dass die­se Höhe eigent­lich unbe­denk­lich ist, aller­dings habe ich leich­te Beden­ken: Mein Puls ist seit Beginn der Schwan­ger­schaft schon ver­gleichs­wei­se hoch (90−100 Schlä­ge, auch bei nur gerin­ger Anstren­gung) und die Atmung schon deut­lich tie­fer oder beim Trep­pen­stei­gen auch mal kurz­at­mig (Sport kann ich komi­scher­wei­se trotz­dem noch gut machen). Außer­dem habe ich jetzt auch noch einen Schnup­fen und die Nase ist zu. 

Den­ken Sie, dass ich mein Kind in 1700 Metern den­noch gut mit Sau­er­stoff ver­sor­gen kann? Sport wür­de ich in der Höhe nicht machen, haupt­säch­lich relaxen.

Ant­wort von Hoehenmedizin.org

Da kann man Sie beru­hi­gen. Die mitt­le­re Höhe von 1’700 Höhen­me­tern ist für Ihre Früh­schwan­ger­schaft ganz sicher unbe­denk­lich. Machen Sie sich also kei­ne Sor­gen wegen etwa­iger uner­wünsch­ter Neben­wir­kun­gen und pla­nen Sie die Rei­se so, wie von Ihnen beschrieben.

Dass Ihr Puls in der Schwan­ger­schaft ansteigt, ist durch­aus nor­mal. Der Schnup­fen wird nicht ver­hin­dern, dass Sie sich und den Embryo aus­rei­chend mit Sau­er­stoff ver­sor­gen, denn Sie wer­den bei ver­stopf­ter Nase auto­ma­tisch durch den offe­nen Mund atmen. Für Ihr Wohl­be­fin­den wären aber Nasentropfen/ ‑spray sicher trotz­dem von Vorteil.

Las­sen Sie mich aber das Nach­fol­gen­de noch anmer­ken: Der embryo­na­le “Mensch”, wenn man ihn in der Früh­schwan­ger­schaft bereits so nen­nen möch­te, hat noch vie­le Hür­den zu über­win­den. Richard Daw­kins schreibt hier­zu sehr tref­fend: „Die meis­ten Befruch­tungs­pro­duk­te enden in einer frü­hen Fehl­ge­burt, bevor die Mut­ter über­haupt davon weiß, und wir alle haben Glück gehabt, dass es uns nicht so ergan­gen ist…”, sonst könn­ten Sie die­se Fra­ge nicht stel­len und ich nicht dar­auf ant­wor­ten. Was ich Ihnen damit sagen möch­te ist, dass man zu die­sem Zeit­punkt Ihrer Schwan­ger­schaft unmög­lich sagen kann, ob der Embryo es bis zur Geburt schaf­fen wird und auch war­um ggf. eben nicht. Die Grün­de für Fehl­ge­bur­ten sind eben viel­fäl­tig. Aber die 1’700 Höhen­me­ter wer­den nicht zu einer Unter­ver­sor­gung Ihres Embry­os mit Sau­er­stoff führen.

Herz­li­che Grü­ße von Ecke­hart Schöll

Nach­fra­ge vom User

Vie­len Dank auf jeden Fall für Ihre Ant­wort, das beru­higt mich schon ein­mal sehr! Was ich noch fra­gen woll­te: wäre Dank gestei­ger­ter Atmung und Puls am Berg zu erwar­ten, dass sich der Sau­er­stoff­par­ti­al­druck im Blut gar nicht ändert? Soll­te ich zur Sicher­heit noch ein Puls­o­xi­me­ter besor­gen? Ent­schul­di­gen Sie, ich bin wohl etwas übervorsichtig.

2. Ant­wort von Hoehenmedizin.org

Bit­te kein Puls­oxy­me­ter für die­se mitt­le­re Höhe besor­gen. Das wäre zu viel der Vorsicht.

Die Auf­nah­me des atmo­sphä­ri­schen Sau­er­stof­fes in unser Blut geschieht in zwei­er­lei Hinsicht:

  • Ein­mal phy­si­ka­lisch durch den atmo­sphä­ri­schen Druck.  Und der ist durch den Sie umge­ben­den Luft­druck vor­ge­ge­ben, es sei denn Sie atmen zusätz­li­chen Sau­er­stoff über eine Sau­er­stoff­son­de (Nasen­bril­le / Atem­mas­ke) ein. Die­ser Druck “presst” sozu­sa­gen einen Teil des Gases in die Flüs­sig­keit (Ihr Blut) und löst es dar­in auf. Das muss man sich so vor­stel­len, als wenn man  koh­len­säu­re­hal­ti­ges Was­ser her­stellt – nur eben mit Sau­er­stoff statt mit Koh­len­säu­re 🙂 Die­ser Mecha­nis­mus ist jedoch für den Sau­er­stoff­ge­halt unse­res Blu­tes der­ma­ßen gering, dass Sie ihn prak­tisch ver­nach­läs­si­gen kön­nen. Er geht daher nur mit dem Fak­tor 0,003 in die Rech­nung ein.  Je gerin­ger der atmo­sphä­ri­sche Druck des Sau­er­stof­fes ist, des­to gerin­ger ist auch der (phy­si­ka­li­sche) Sau­er­stoff­par­ti­al­druck in Ihrem Blut – da kön­nen Sie so viel atmen wie Sie wol­len. Es sei denn, Sie pres­sen wie beim Her­stel­len von Sprudelwasser 🙂
  • zum Zwei­ten – und dar­auf kommt es an – die Bin­dung des Sau­er­stof­fes an Ihren roten Blut­farb­stoff (Hämo­glo­bin). Die­ser Fak­tor ist immer­hin 1,34. Was so viel bedeu­tet, wie ein Gramm Hämo­glo­bin (Hb) bin­det 1,34 ml Sau­er­stoff (Wow!). Der Hb-Gehalt Ihres Blu­tes ist in bestimm­ten Gren­zen ver­än­der­lich und liegt bei Ihnen irgend­wo zwi­schen 12–16 Gramm pro 100 ml Blut.
  • Der Anteil des mit Sau­er­stoff bela­de­nen Hb im Blut wird in Pro­zent ange­ge­ben und nur das kön­nen Sie mit einem Puls­oxy­me­ter mes­sen. Wenn also im theo­re­ti­schen Fal­le alle Hb-Mole­kü­le, wel­che sich unter dem Licht des Puls­oxy­me­ters hin­durch­schlän­geln, mit Sau­er­stoff bela­den sind, dann zeigt Ihnen das klei­ne Fens­ter­chen 100% Sät­ti­gung an. Theo­re­tisch des­halb, weil das auch unter bes­ten Bedin­gun­gen im Tief­land fast nie der Fall ist. Die­sen Mecha­nis­mus kön­nen Sie tat­säch­lich mit ver­tief­ter und hoch­fre­quen­ter Atmung ver­bes­sern. Aller­dings ver­ges­sen Sie die ver­stärk­te Atmung in aller Regel nach weni­gen Minu­ten, da es schlicht­weg nicht not­wen­dig ist – und die Bio­lo­gie hasst unnö­ti­ge Din­ge. Und wenn Sie schla­fen, macht Ihr Atem­zen­trum sowie­so was es will.

Ich hof­fe, die­ser klei­ne Exkurs in die Phy­sio­lo­gie hat Sie nicht ver­un­si­chert. Noch­mals: machen Sie sich bit­te kei­ne Sor­gen und holen Sie im Hotel auf 1’700 Höhen­me­tern bit­te kein Puls­oxy­me­ter her­aus – die amü­sier­te Ver­wun­de­rung der Ein­hei­mi­schen wäre Ihnen gewiss.

Herz­li­che Grü­ße von Ecke­hart Schöll

Hin­weis: Alle Namen wur­den aus recht­li­chen Grün­den von der Redak­ti­on geändert/entfernt.


Schreibe einen Kommentar