Guten Tag Herr Schöll
Ich (w. 41) war letzte Woche auf der «klassischen» Monte Rosa Tour. Übernachtet wurde jeweils auf 3000, 3500 und schliesslich auf 4554 m.ü.M. Die Tour war für mich konditionell nicht anspruchsvoll. Auf der Margheritahütte suchten holländische Ärzte Probanden, die bereit waren an einer Höhenstudie teilzunehmen, also habe ich spontan mitgemacht. Mir wurde dort eine Sauerstoffsätigung von 91% attestiert, der Blutdruck war auf 130⁄100, der Ruhepuls 81. Sämtliche Test, die weiter durchgeführt wurden, zeigten keine AMS oder Höhenkrankheit. Ausser, dass ich ein wenig Kopfschmerzen spürte und einen Schnupfen hatte, fühlte ich mich grundsätzlich o.k. Die Ärzte befanden, dass ich soweit gesund war. Am nächsten Tag sind wir abgestiegen und nach Hause zurück gekehrt. Tags darauf bemerkte ich, dass ich auf dem linken Ohr nicht gut höre. Für mich war das eine Folge des Schnupfens. Ich achtete nicht weiter darauf. Da das Taubheitsgefühl aber nicht nachliess und immer schlimmer wurde, suchte ich einen Hals‑, Nasen und Ohren-Arzt auf. Er diagnostizierte einen Hörsturz (Höre aktuell noch 15% bis 500 MHz). Er hat den Verdacht, dass sich in der Höhe ein Ödem entwickelt hat. Mir fällt es schwer, dies zu glauben, da es nicht die erste Hochtour war und ich auf Symptome achtete, die allenfalls auf eine Höhenkrankheit hätten hinweisen können. Kommt dazu, dass ich langsam aufgestiegen bin, genügend getrunken, auf Alkohol verzichtet und normal gegessen und auch gut geschlafen habe. Auch habe ich eine Höhenanpassung vorgenommen. Der Hörsturz wird mit Cortison Intravenös behandelt sowie mit Betahisitin-Mepha. Meine Frage: Ist es möglich, dass der Hörsturz aufgrund des Bergsteigens hervorgerufen wurde und wenn ja, wie kann ich dies zukünftig vermeiden? (Aufs Bergsteigen möchte ich nicht verzichten. Gerne möchte ich in Nepal auch ein Höhentrekking absolvieren.) Oder kann es sein, dass der Hörsturz stressbedingt (Beruf) ist und mit der Höhenexposition gar nicht im Zusammenhang steht?
Besten Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüssen
Anja Kappel
Antwort der Redaktion
Liebe Frau Kappel
ein Hörsturz ist eigentlich keine Erkrankung an sich, sondern ein Symptom einer Schädigung der neurologischen Hörbahn aus unterschiedlichster Ursache. Obwohl es über hundert mögliche Gründe für einen Hörsturz gibt, kann man nur bei 15% der Betroffenen einen tatsächlichen Zusammenhang feststellen. Die restlichen 85% werden daher als idiopathisch klassifiziert, d.h. wir kennen den Grund nicht.
Wenn man einen Hörsturz überhaupt mit Höhenveränderungen in Verbindung bringen möchte, dann müssten sich hierbei rasche Druckveränderungen vollziehen, so wie man sie beim Tauchen oder beim Fliegen vorfindet. Sie müssten denn mit einem Lift auf die Signalkuppe gefahren sein. Soviel ich weiss, gibt es den aber (noch) nicht… Einen Helikopter haben Sie wohl auch nicht benutzt. Daher werden sich die Ihre Ohren umgebenden Luftdruckveränderungen allmählich vollzogen haben und können daher nicht als Ursache für den Hörsturz angesehen werden. Ihre Sauerstoffsättigung war mit 91% für diese Höhe ebenfalls überdurchschnittlich gut. So wie es aussieht, waren Sie gut akklimatisiert, zumindest spricht auch die Symptom-Armut dafür.
Man nimmt an, dass virale Infektionen der häufigste Grund für einen Hörsturz sind. Da Sie über einen Schnupfen berichten, gehe ich davon aus, dass Sie eine solche Virusinfektion hatten – MERKE: Das Häufige kommt häufig vor und das Seltene selten… Allerdings wird meist das Herpes simplex-Virus mit einem viralen Hörsturz in Zusammenhang gebracht, nicht der typische Schnupfen-Erreger.
An Ihrer Stelle würde ich den Hörsturz so gut es eben geht ausbehandeln und das Bergsteigen nicht dafür verantwortlich machen. Weiterhin viel Freude in den Bergen!
Freundlich grüsst
Eckehart Schöll