Guten Tag,
ich bin 39 Jahre und treibe regelmäßig Ausdauersport und habe einen guten Trainingszustand. Vor zwei Jahren bin ich am Kilimandscharo gewesen. Vorher habe ich zur Akklimatisierung den Mt. Meru (4600m) bestiegen. Hier habe ich ca. 50 Höhenmeter unter dem Gipfel große Schwierigkeiten bekommen. Zum Beispiel, dass ich bei jedem kleinsten Klettern extrem außer Atem war. Zuvor hatte ich auch schon die typischen Symptome (starke Kopfschmerzen). Dennoch bin ich zwei Tage nach dem Abstieg zur Tour auf den Kilimandscharo aufgebrochen. Hier zeigten sich auf einer Höhe von 4700m vor der letzten Etappe zum Gipfel zunächst keine Symptome. Meine Herzfrequenz lag die gesamte Tour über immer bei ca. 110/min. Beim Aufstieg (Gipfelsturm) wurde ich nach drei Stunden zunehmend gangunsicherer, bis ich letztlich in einer Kurve stürzte. Danach bin ich abgestiegen. In Folge dessen hatte ich starke Kopfschmerzen. Ich würde es gerne noch einmal versuchen und würde gerne zur Prophylaxe zusätzlich Sauerstoff mitnehmen. Denn die Ursache der Höhenkrankheit ist die Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff aufgrund einer verringerten Anpassungsfähigkeit des Körpers in Regionen mit verringertem Sauerstoffpartialdruck.
Ist es möglich der Höhenkrankheit dadurch vorzubeugen oder würden Sie sagen, dass ich scheinbar eine Disposition für die Höhenkranheit habe (möglicherweise durch mein Asthma) und ich daher nicht für solche Höhen geeignet bin?
Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Freundliche Grüße Kristian Neustadt
Antwort der Redaktion
Sehr geehrter Herr Neustadt,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Sie beschreiben in Ihrer E‑Mail eigentlich die meisten Symptome der bekanntesten höhenassoziierten Erkrankungen. Am Mt. Meru hatten sie wohl zunächst eine akute Bergkrankheit mit den angegebenen starken Kopfschmerzen und die später auftretenden Atemschwierigkeiten bei geringsten Anstrengungen deuten auf ein beginnendes Höhenlungenödem hin. Ihre Gangunsicherheit am Kilimandscharo sowie auch der Sturz sind Anzeichen für eine gefährliche Hirnschwellung, also ein Höhenhirnödem. Gut, dass Sie in diesem Fall abgestiegen sind, das war das einzig Richtige.
Da die Ursache dieser Höhenerkrankungen der niedrige Luft- und der damit verbundene niedrige Sauerstoffdruck ist, wie Sie bereits richtig schreiben, ist die Mitnahme von zusätzlichem Sauerstoff natürlich eine Möglichkeit, die Symptome zu verringern oder sogar zu vermeiden. Viele Höhenbergsteiger machen von dieser Option daher Gebrauch. Allerdings ist unsere Empfehlung, eine ausreichende Akklimatisation anzustreben (ein Tag pro 300–500m wenn Sie über 2500 Hm hinausgehen) und Sauerstoff nur für medizinische Notfälle zu verwenden. Wenn Sie sich mit Hilfe des zusätzlichen Sauerstoffes symptomfrei halten, um aufzusteigen ohne richtig zu akklimatisieren, bekommen Sie ggf. schwere Probleme, wenn Ihnen der O2-Vorrat in großen und extremen Höhen zur Neige geht.
Ob Sie anfälliger für höhenbedingte Erkrankungen sind als andere Menschen, kann man anhand dieser einmaligen Erfahrung nicht sagen. Wir wissen aber, dass manche Menschen sich besser an den niedrigen Sauerstoffpartialdruck anpassen können als andere. Ihr Asthma, von dem Sie berichten, wird eher durch die in diesen Höhen vorherrschende Kälte ein Problem ergeben, ist aber kein Risikofaktor für Höhenkrankheiten.
Quelle: Jean-Paul Richalet et al.: Physiological Risk Factors for Severe High-Altitude Illness. A Prospective Cohort Study. Am J Respir Crit Care Med Vol 185, Iss. 2, pp 192–198, Jan 15, 2012
Mit freundlichen Grüßen
Eckehart Schöll
Nachtrag
Sehr geehrter Dr. Schöll
vielen Dank für Ihre Nachricht. Gestatten Sie mir eine letzte Frage? In meiner Familie (mein Vater, meine Tante und mein Großvater, beide väterlicherseits) tritt vermehrt die COPD auf. Bei mir ist sie nock nicht diagnostiziert, aber ich habe vorallem wenn ich länger nicht joggen war, das Gefühl, dass meine Lunge irgendwie nicht richtig frei ist. Kann dies mit ursächlich dafür sein, dass die Sauerstoffsättigung (Akklimatisierungsfähigkeit) in zunehmender Höhe nicht mehr ausreichend ist, um mich vor der Höhenkrankheit zu bewahren?
Vielen Dank nochmal und viele Grüße
Kristian Neustadt
Antwort der Redaktion
Sehr geehrter Herr Neustadt,
das Thema COPD und Höhe wird in den letzten Jahren kontrovers diskutiert. Einige Untersuchungen beschreiben ein erhöhtes Vorliegen von COPD bei Bewohnern hoch gelegener Regionen (1), andere gerade das Gegenteil (2). Als Begründung hierfür liefern die Autoren die dünnere Luft, welche sowohl die Testergebnisse (FEV1/FVC) als auch die Lungen- und Atemwegsentwicklung beeinflusst. Andererseits können Faktoren wie niedriger Luftdruck, sowie die Sauerstoffarmut im Blut zu anderen Krankheitsbildern wie Lungenhochdruck und Herzinsuffizienz bei Hochlandbewohnern führen. Nun sind Sie ja kein Hochlandbewohner, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Wenn Sie keine schwere COPD haben, (GOLD Stadium III–IV) wie Sie schreiben, spricht nichts gegen einen Aufenthalt über 2000m (3). Keinesfalls korreliert jedoch Ihre Sauerstoffsättigung und Lungenfunktion auf Tieflandniveau mit der im Hochgebirge. Daher kann man nicht sagen, ob eine stabile (oder in Ihrem Fall gar nicht diagnostizierte) COPD in großen Höhen auch tatsächlich symptomlos bleibt. Sofern Sie z.B. vermehrt Kohlendioxid im Blut anhäufen, werden Sie auch eher einen Lungenhochdruck entwickeln und zum HAPE neigen (4).
Herzliche Grüße von Eckehart Schöll
1) Caballero A et al. Prevalence of COPD in five Colombian cities situated at low, medium, and high altitude (PREPOCOL study). Chest. 2008;133:343–9.
2) Laniado-Laborin R et al. High Altitude and Chronic Obstructive Pulmonary Disease Prevalence: A Casual or Causal Correlation? Arch Bronconeumol. 2012;48(5):156–160
3) Schommer K, Bärtsch P. Basic Medical Advice for Travelers to High Altitudes. Dtsch Arztebl Int. 2011 Dec;108(49): 839–848
4) Luks AM, Swenson ER. Travel to high altitude with pre-existing lung disease. Eur Respir J. 2007;29(4):770–92.