Ein Bekannter plant im Herbst einen Trip auf den Kilimanjaro. Er ist 70j, sportlich, nicht übergewichtig und Nichtraucher. Thrombose-Ereignisse sind in seiner, wie auch in der Vorgeschichte seiner Gemahlin, nicht bekannt. Hingegen hatte ein Sohn (30 j.) ein thromboembolisches Geschehen, wurde erfolgreich behandelt und er muss nun in der Folge jeweils vor Flugreisen Heparin applizieren. Die folgenden, familiären Abklärungen ergaben bei weitern 2 Kindern ebenso ein erhöhtes Thromboserisiko mit offensichtlich genetischem Hintergrund. Die genaue genetische Ursache der Thrombophilie (zB. APC Resistenz, Prothrombinmutation ) ist mir aber nicht bekannt . Den Eltern wurde ihrerseits auch eine eine Gerinnungsabklärung (auch genetisch) vorgeschlagen, wurde aber bislang nicht durchgeführt. Ist nun eine solche Gerinnungsabklärung , die ja nicht gerade gratis ist, vor dem Kilimanjarotrip unerlässlich? Die elterliche Thromboseanamnese ist bland. Würden dann auch die normalen thromboseprohylaktischen Massnahmen genügen oder braucht es mehr ?
Besten Dank
Uli Kirman
Antwort von Hoehenmedizin.org
Sehr geehrter Herr Kirman,
Momentan gibt es keinen einheitlichen Konsens darüber, ob es im Gebirge zu einer erhöhten Thrombose-Neigung kommt oder eben nicht. Für Patienten mit vorbekannten Thromboseneigungen oder nach stattgehabten thromboembolischen Ereignissen wird allenfalls die Einnahme von Aspirin 100mg/Tag empfohlen.
Eine mögliche erhöhte Thromboembolie-Gefahr bei gesunden Menschen in der Höhe wird mit dem erhöhten Hämatokrit und der Austrocknung erklärt. Viele Höhenbesucher nehmen zu wenig Flüssigkeit zu sich und schwitzen stark oder tragen durch die Einnahmen von Diamox sogar noch zusätzlich zur Austrocknung bei. Eine Immobilisation besteht bei ihnen ja in der Regel nicht. Auf der anderen Seite wird in diversen Untersuchungen über eine vermehrte Blutungsneigung unter Höhenexposition berichtet “high altitude hemorrhage syndrome”. Besonders eine Studie von Tian-Yi Wu et al. aus dem Jahre 2007 berichtet über vermehrte gastrointestinale Blutungen bei Arbeitern auf 4900m (siehe Anhang). Vor diesem Hintergrund muss eine prophylaktische Antikoagulation ohne klinische Begründung als kritisch angesehen werden. Das Heparin, welches bei Hyperkoagulabilität prophylaktisch vor Flugreisen verabreicht wird, hat seine Indikation in der Immobilisierung und Austrocknung, nicht in der Höhenexposition, denn der Kabinendruck wird auf die virtuelle Höhe von 2300–2500m adjustiert.
Die UIAA empfiehlt generell, dass Personen, die zu Blutungen oder Thromboembolien neigen, sich keinen großen und extremen Höhen aussetzen sollten, weil die medizinische Hilfe in diesen Höhen eher rudimentär ist (siehe Anhang).
Was soll man ihrem Bekannten also raten? Er wird sich einer extremen Höhe aussetzen und in diesen Regionen sind Gesundheitsprobleme die Regel, nicht die Ausnahme. Möchte er auf Nummer sicher gehen, müsste er also zu Hause bleiben. Die genetische Disposition für eine vermehrte Thrombose-Neigung tragen 5–8% der Menschen mit sich, die überwiegende Anzahl bleibt klinisch unauffällig. Wenn er also wissen möchte, ob er ein heterozygoter Träger einer solchen Erbinformation ist (homozygot ist bei bislang klinisch unauffälligem Patienten eher unwahrscheinlich), dann muss er wohl tief in die Tasche greifen. Es wird ihm aber auch dann wenig nützen, denn bei positivem Resultat wäre die Empfehlung: zu Hause bleiben.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen und Ihrem Bekannten etwas helfen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Eckehart Schöll