Bei einem Trek­king im Hima­la­ya muss­te ich trotz lang­sa­mer Akkli­ma­tis­a­ti­on (7 Tage von Luk­la 2700m bis Tang­nang 4500m) fest­stel­len, dass ich ohne zusätz­lich Sym­pto­me wie Kopf­weh etc. kurz­zei­ti­ge Bewusst­seins­aus­set­zer hat­te. Auch die gemes­se­ne Sau­er­stoff­sät­ti­gung war auf unbe­denk­li­chem Niveau. Sel­bi­ges Phä­no­men konn­te ich bei einer Auto­fahrt in der Ata­ca­ma von San Pedro zu einem der hoch­ge­le­ge­ne Salar ca 4800m auch beob­ach­ten. Ich gehe davon aus, dass es sich um Erschei­nungs­for­men der AMS han­delt. Direkt nach der Him­la­ya Tour hat­te ich Blut­wer­te neh­men las­sen und es konn­te kei­ne erhöh­te Anzahl roter Blut­kör­per­chen fest­ge­stellt wer­den, die auf eine erfolg­te Anpas­sung hin­deu­ten wür­den. In bei­den Fäl­len ließ sich die Sym­pto­ma­tik mit Ace­tazo­l­amid gut behan­deln, aber die Neben­wir­kun­gen ver­der­ben mir trotz­dem den Genuss an den Ber­gen.
Fra­ge: Ist das wirk­lich eine Höhen­pro­ble­ma­tik im Sin­ne AMS, gibt es ver­träg­li­cher Prä­pa­ra­te als Ace­tazo­l­amid, wie kann ich den Anpas­sungs-Level fest­stel­len? Bis­wei­len habe ich mich auf Pata­go­ni­en verlegt…da fan­gen die Ber­ge auf See­hö­he an 😉

Antwort von Hoehenmedizin.org

Die von Ihnen beschrie­be­nen Bewusst­seins­aus­set­zer haben mit einer AMS nichts zu tun. Die Sym­pto­ma­tik einer AMS beinhal­tet in ers­ter Linie Kopf­schmer­zen, und die hat­ten Sie ja offen­sicht­lich nicht. Da Sie in gro­ßen und extre­men Höhen einer nicht uner­heb­li­chen hypo­ba­ren Hypo­xie aus­ge­setzt sind (druck­be­ding­ter Sau­er­stoff­man­gel), besteht auch die Mög­lich­keit einer Syn­ko­pe. Hier­un­ter ver­ste­hen wir einen plötz­li­chen, “unan­ge­kün­dig­ten” kurz­zei­ti­gen Bewusst­seins­ver­lust auf­grund einer ande­ren Ursa­che, z.B. Herz­rhyth­mus­stö­run­gen, Herz­klap­pen­ver­än­de­run­gen oder auch Durch­blu­tungs­stö­run­gen des Gehirns. Hier wäre aller­dings Ace­tazo­l­amid unwirk­sam.
Eine Syn­ko­pe soll­te immer medi­zi­nisch abge­klärt wer­den: Lang­zeit-EKG, Ultra­schall der Hals­ar­te­ri­en, Herz­ul­tra­schall. Häu­fig erge­ben sich hier­bei Hin­wei­se auf die Ursa­che des Bewusst­seins­ver­lus­tes. Erst danach kann man Ihnen raten, was Sie medi­ka­men­tös oder ggf. inter­ven­tio­nell machen sollten.

 

Erweiterte Nachfrage

vie­len Dank für Ihre Ein­schät­zung. Ich möch­te Ihnen ger­ne noch den wei­te­ren Ver­lauf der „Mise­re“ schil­dern, viel­leicht kön­nen Sie dar­aus mög­li­che ande­re Ursa­chen schließen:

Mei­ne „Aus­set­zer“ hat­ten sich nach dem Abstieg von 5300m auf 3600m zwar gebes­sert aber ich war immer noch nicht leis­tungs­fä­hig und das Befin­den war schlecht. Kör­per­lich war ich vor dem Antritt der Tour sehr fit (2 Wochen vor­her Mara­thon Mün­chen 3:45) Nach der Rück­kehr aus Nepal hat­te ich mich zunächst ober­fläch­lich unter­su­chen las­sen, aber ohne Befund. Auch das Blut­bild war ganz nor­mal (ohne ver­mehr­te rote Blut­kör­per­chen, Volu­men derer, und Hämo­glo­bin). Aller­dings hat­te ich eini­ge Tage spä­ter Seh-Pro­ble­me in Form einer Ein­engung des Gesichts­fel­des wie bei einer „Loch­ka­me­ra“. Dar­auf­hin bin ich in die Kli­nik gegan­gen um abklä­ren zu las­sen, was da los ist. 

Ergeb­nis CT: klei­ner Ischä­mi­scher Insult. Dar­auf­hin wei­te­re Unter­su­chung in ande­rer Kli­nik: Echo­kar­dio­gra­phie, Dau­er EKG, Ultra­schall der Hals­ge­fä­ße, Lun­ge, etc. Herz: bis auf klei­nen Rück­fluss alles ok, nir­gends in den Gefä­ßen Throm­ben oder Embo­lien etc. gefun­den. MRT im zuvor auf­fäl­li­gen Bereich mit Kon­trast­mit­tel unauf­fäl­lig. CT wahr­schein­lich Abbil­dungs­feh­ler im Dich­te­ab­bild. Glück­li­cher­wei­se hat sich kein ernst­haf­tes Pro­blem bei den Unter­su­chun­gen gezeigt. Ein­zig wur­de eine etwas unge­wöhn­li­che Gefäß­ver­äs­te­lung im Kopf gefun­den, wel­che schein­bar des Öfte­ren mit Aura-Migrä­ne asso­zi­iert ist, wel­che mir dann als ein­zig mög­li­che Ursa­che für die Seh­stö­run­gen attes­tiert wur­de.
In Bezug auf die Bewusst­seins­aus­set­zer blieb das gan­ze aber ohne Befund. Die Seh­pro­ble­ma­tik ist aller­dings weder vor­her noch nach­her jemals wie­der aufgetreten.

Ich wäre froh wenn Sie mir wei­te­ren Rat geben könn­ten, da ich lei­der seit­her die gro­ße Höhe mei­de, obwohl ich ger­ne wie­der in die­se Regio­nen rei­sen würde.

Antwort von Hoehenmedizin.org

Offen­sicht­lich sind Sie gesund – zumin­dest haben das die sehr detail­lier­ten labor­che­mi­schen und bild­tech­ni­schen Unter­su­chun­gen erge­ben, wel­che Sie beschrie­ben haben. Dass Sie vor dem Höhen­auf­ent­halt noch pro­blem­los einen Mara­thon-Lauf absol­viert haben, unter­streicht die­se Tatsache. 

Nun bewe­gen wir uns also in einem eher theo­re­ti­schen Bereich, denn sowohl Fern­dia­gno­sen als auch retro­spek­ti­ve Ana­ly­sen sind immer mit Feh­lern behaf­tet. Höhen­auf­ent­hal­te auf und ober­halb von 5300m müs­sen per se als unphy­sio­lo­gisch ange­se­hen wer­den. Es gibt kei­ne dau­er­haf­te mensch­li­che Sied­lung ober­halb die­ser Höhe und das hat sei­nen Grund in unse­rer evo­lu­tio­nä­ren Ent­wick­lung in tie­fe­ren Lagen. Nur weni­ge Popu­la­tio­nen leben in den Hoch­la­gen die­ser Welt, wie z.B. die tibe­ta­ni­schen Hoch­land­be­woh­ner, wel­che seit 25‘000 Jah­ren auf 4‘000m sie­deln oder die Aymara und Quechua wel­che seit 11’000 Jah­ren den Alti­pla­no auf 3‘600m bewoh­nen. Die­se Bevöl­ke­rungs­grup­pen haben eine gene­tisch beding­te Adapt­a­ti­on für die­se Höhen­la­gen – wir “Tief­länd­ler” eben nicht. Man­che Men­schen ver­tra­gen die Höhe trotz­dem bes­ser als ande­re, was Extrem­berg­stei­ger wie Rein­hold Mess­ner bewei­sen, wel­che alle 14 Acht­tau­sen­der die­ser Welt ohne akzes­so­ri­schen Sau­er­stoff bestei­gen konn­ten. Bes­ser als Sir Wil­liam Osler es bereits 1903 sag­te, kann man es nicht aus­drü­cken: “Varia­bi­li­ty is the law of life, and as no two faces are the same, so no two bodies are ali­ke, and no two indi­vi­du­als react ali­ke and behave ali­ke under the abnor­mal con­di­ti­ons which we know as disease.”

Unter den Bedin­gun­gen der hypo­ba­ren Hypo­xie ab 4’000m tre­ten im Übri­gen bei 50% aller Berg­stei­ger asym­pto­ma­ti­sche Netz­haut­blu­tun­gen auf. Die Netz­haut ist ein Teil des Zwi­schen­hirns und wir kön­nen davon aus­ge­hen, dass ähn­li­che patho­phy­sio­lo­gi­sche Ver­än­de­run­gen auch in ande­ren Tei­len des Gehirns statt­fin­den, nur dass wir die­se nicht beim leben­den Men­schen so unmit­tel­bar beob­ach­ten kön­nen, wie bei einer Augen­hin­ter­grund­spie­ge­lung. Eine sol­che Fun­do­sko­pie wäre im Übri­gen noch eine auf­schluss­rei­che Unter­su­chung, wel­che man bei Ihnen in den ers­ten Tagen nach Rück­kehr aus der Höhe hät­te durch­füh­ren kön­nen. Eine the­ra­peu­ti­sche Kon­se­quenz hät­te sie aber eher nicht gehabt.

Was sol­len Sie also machen? Neben der kon­se­quen­ten Akkli­ma­tis­a­ti­on (ab 2’500m nur 300m pro Tag höher gehen) gibt es nicht viel Sinn­vol­les, was man Ihnen gegen­wär­tig anra­ten kann (sie­he Zitat von W. Osler).

Falls die­se Pro­ble­ma­tik immer wie­der auf­tritt, soll­ten Sie viel­leicht wirk­lich eher die tie­fer gele­ge­nen Regio­nen die­ser Welt aufsuchen.

Hin­weis: Alle Namen wur­den aus recht­li­chen Grün­den von der Redak­ti­on geändert/entfernt.


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