In meiner Praxis stellen sich immer wieder durch Angehörige oder Patienten Fragen bezüglich Flugreisen, vereinzelt auch Alpinsport (Trekking in Höhen bis 5000m, Skifahren bis 3900m). Ich würde gerne um Ihre fachliche Meinung zu u.g. Fragestellungen bitten.
Für mich wären zwei Fälle von besonderem Interesse:
1) Ein aktuell 14 jähriges Mädchen mit einer heterozygoten Prothrombinmutation G20210A, die mit ca. 12 Jahren eine Sinusvenenthrombose erlitten hatte, sonst keine Vorerkrankungen, sportlich und normgewichtig. Ich würde ihr bei Flugreisen eine Thromboseprophylaxe (0,4 ml Clexane bei ca. 50 kg KG) und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme empfehlen. Wie wäre diesbezüglich Ihre Einschätzung?
2) Männlicher Patient, 45 Jahre, Z. n. Hydrocephalus communis bei Aquäduktstenose, OP mit Triventrikulozisternotomie, seitdem (>10 J.) keine Beschwerden mehr, sonst keine relevanten Vorerkrankungen. Eine aktuelle cMRT-Kontrolle zeigt einen funktionierenden Shunt. Hier würden meinerseits keine Bedenken gegenüber einer Flugreise, alpinen Skisport (bis 3900 m) bestehen.
Antwort von Hoehenmedizin.org
Wie Sie anhand der vielen Zuschriften, die auf unserer Webpage publiziert sind, ersehen können, taucht das Thema Höhenexposition bei vorbestehenden Gerinnungsproblemen öfters auf. Eine mögliche Erklärung für dieses gesteigerte Interesse ist vermutlich die große Thrombophilie-Prävalenz in der mitteleuropäischen Bevölkerung (z.B. 11% Faktor-VIII-Erhöhung oder 5–8% APC-Resistenz). Die Prothrombinmutation G20210A, von welcher Sie schreiben, besitzt hingegen nur eine 3%ige Prävalenz, was aber immerhin 7–16% aller Thrombosepatienten ausmacht. Daher sollte man diese Patientin unbedingt mit niedermolekularen Heparinen oder direkten oralen Antikoagulantien (z.B. Dabigatran) schützen.
Prinzipiell müssen unsere Patienten aber wissen, dass Höhenexposition generell, sei es infolge von Bergsteigen, artefiziell erzeugter Höhe (hypobare Hypoxie) oder auch Langstreckenflügen mit künstlich adjustierter Höhe auf 2500m, in direktem und proportionalem Zusammenhang mit thromboembolischen Ereignissen steht. Wenn man die willkürlich gezogene Grenze von 2500 Höhenmetern als Höhenexposition ansieht, dann ist das Risiko, eine Thrombose zu erleiden, 30-fach erhöht, sofern man ein Jahr in dieser Höhe verbringt – und dies auch ohne Thrombophilie.
Ein zusätzlicher Punkt, welcher eine Thromboembolie in der Höhe begünstigen kann, ist die Dehydratation mit der resultierenden Polyzythämie. Es gibt also keine “medizinisch abgesicherte” Garantie gegen thrombembolische Ereignisse.
Ihr zweiter Patient, welcher ein funktionierendes Shunt-System hat, kann sich der Höhe wahrscheinlich problemlos aussetzen, sofern das Shuntventil sensibel genug auf Druckschwankungen reagieren kann. Allerdings sind die Symptome der akuten Bergkrankheit oder gar HACE nicht zu unterscheiden von einer plötzlichen Hirndrucksteigerung aufgrund eines geblockten VP-Shuntes. Dieser Patient sollte daher vor Höhenexposition unbedingt seinen behandelnden Neurochirurgen kontaktieren, denn es gibt immer die Möglichkeit einer Shunt-Dysfunktion – mit oder auch ohne Höhenexposition. In so einem Fall sollte man keinesfalls zu weit von der medizinischen Zivilisation entfernt sein.