Ich hatte vor drei Jahren eine tiefe Beinvenenthrombose (Verletzung gepaart mit Faktor V Leiden). Blutverdünner (Eliquis) ist abgesetzt, Kompressionsstrumpf muss aber weiterhin tagsüber ständig getragen werden. D‑Dimere-Wert ist im Grenzbereich erhöht, ich habe mich aber gegen lebenslange Blutverdünner entschieden, vorerst. Bei langen Sitzereignissen (Flug, Auto) spritze ich vorbeugend Clexane 40 mg, ca 2–6 x im Jahr.
Dieses Jahr möchte ich gerne für drei Wochen nach Bolivien, wo ich mich eigentlich permanent auf 3’500 bis 5’000 Meter Höhe bewegen werde. Nach Ihren bisher hier veröffentlichten Ratschlägen, muss ich wohl für diese Reise Blutverdünner spritzen. Was mir noch nicht ganz klar ist: Muss der Blutverdünner nur während der Akklimatisierung gespritzt werden oder für die gesamte Reisedauer ? Ist Clexane 40 mg die richtige Wahl auch bei dreiwöchiger Prophylaxe oder ist ein anderes Mittel bei einer solchen Dauer nebenwirkungsärmer ? Muss ich den Kompressionsstrumpf auch nachts tragen (was ich im Alltag nicht tue – bekomme Druckstellen).
Und schließlich: Die Reise dient ausschließlich meinem Vergnügen und meiner Neugier, ich könnte auch drauf verzichten. Gibt es einen Anhaltspunkt, von welchem erhöhten Risiko auszugehen ist ? Wenn ich einer von 1.000 Fällen sein könnte, würde es mir leichter fallen zu fliegen, als wenn ich einer von 50 Fällen wäre.
Antwort von Hoehenmedizin.org
Mit Ihrer Faktor-V-Mutation (APC-Resistenz) haben Sie mit etwa 5–8% der mitteleuropäischen Bevölkerung die erhöhte Thromboseneigung gemein. Falls Sie nur ein Allel dieser Punktmutation haben – und davon ist bei Ihnen auszugehen – dann ist Ihr Thromboserisiko 5–10-fach erhöht. Anderenfalls, also wenn beide Allele Ihres Faktor V betroffen wären, hätten Sie ein bis 100-fach erhöhtes Thromboserisiko und dann wäre es sicher nicht bei dieser einen Thrombose geblieben.
Wenn Sie sich in große (ab 2’500m) und extreme (ab 5’300m) Höhen begeben, wird ihr Körper an generell in eine Art Alarmbereitschaft versetzt. Man kann das messen, indem man zum Beispiel die Entzündungsmediatoren im Blut bestimmt (CRP, Interleukine), welche dann signifikant erhöht sein werden. Die Kaskade der Blutgerinnung wird durch Entzündung im Körper ebenfalls
aktiviert, was man z.B. im Falle einer Infektion im Körper an den Spaltprodukten von Blutgerinnseln nachweisen kann (D‑Dimere).
Für große und extreme Höhen bedeutet dies, dass Sie bei längeren Aufenthalten auch bei nicht von der APC-Resistenz betroffenen Personen ein bis zu 30-fach höheres Risiko für Thrombosen oder thrombembolische Ereignisse haben. Multiplizieren Sie dies mit dem generell 5–10-fach erhöhten Thromboserisiko bei APC-Resistenz und Sie haben einen ungefähren Anhaltspunkt für das Risiko in Ihrem Fall.
Daher sollten Sie für Ihren gesamten Höhenaufenthalt (nicht nur während der Akklimatisation) eine medikamentöse Thromboseprophylaxe durchführen. Das kann wie in Ihrem Fall 40mg Enoxaparin sein. Aber auch die neuen oralen Gerinnungshemmer (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban), welche Sie oral einnehmen können, kämen in Betracht. Da Sie sich diese Medikamente verschreiben lassen müssen, klären Sie die Art der Gerinnungshemmung am besten mit Ihrem Hausarzt oder besser einem Hämatologen (am besten dort, wo Ihre Faktor-V-Mutation abgeklärt wurde).
Literatur:
- C. Anand, S. K. Jha, A. Saha, V. Sharma, C. M. Adya: Thrombosis as a complication of extended stay at high altitude. Natl Med J India. 2001 Jul-Aug;14(4):197–201.
- G.Hartmann, M.Tschöp, R.Fischer, C.Bidlingmaier, R.Riepl, K.Tschöp, H.Hautmann, S.Endres, M.Toepfer: High altitude increases circulating interleukin‑6, interleukin‑1 receptor antagonist and C‑reactive protein. Cytokine. 2000 Mar;12(3):246–52.