Als Ret­tungs­sa­ni­tä­te­rin in Aus­bil­dung schrei­be ich der­zeit an mei­ner Diplom­ar­beit zum The­ma “Prä­kli­ni­sche Erken­nung und Behand­lung der Höhen­krank­heit im Ret­tungs­dienst”. Darf ich Ihnen eine kur­ze drin­gen­de Fra­ge bezüg­lich der Medi­ka­men­ten­ga­be stel­len? Ich konn­te lei­der in kei­ner Lite­ra­tur ent­spre­chen­de Ant­wor­ten finden.

Auf dem Rettungswagen/im Heli füh­ren wir in der Regel weder Nife­di­pin, Sil­dena­fil, noch Dexa­me­tha­son, dafür aber ande­re Medi­ka­men­te mit ähn­li­chen Wir­kun­gen. Zum Bei­spiel Nitro/Isoket, Solu­medrol, Lasix.

Wür­den Sie emp­feh­len als Not­lö­sung die Blut­druck­sen­ker Nitro­gly­ce­rin einzusetzen?

Und statt Ace­tazo­l­amid Lasix?

Und statt Dexa­me­tha­son Solumedrol?

Antwort der Redaktion

Ihre Fra­gen stel­le ich der jewei­li­gen Beant­wor­tung voran:

1. Wür­den Sie emp­feh­len als Not­lö­sung die Blut­druck­sen­ker Nitro­gly­ce­rin einzusetzen?

Ant­wort: Wenn wir in der Höhen­me­di­zin Nife­di­pin, also einen Ca-Kanal-Blo­cker ein­set­zen, dann um eine Reduk­ti­on des pul­mo­n­a­len Blut­hoch­druckes zu erzie­len. Auch wenn Nitro­gly­ce­rin genau das tut, exis­tie­ren bis­lang zu wenig Unter­su­chun­gen, um einen posi­ti­ven Effekt auf ein Höhen­lun­gen­ödem (HAPE) zu bele­gen. Casu­is­ti­ken berich­ten hin­ge­gen über durch­aus nega­ti­ve Effek­te sys­te­misch wir­ken­den Nitro­gly­ce­rins hin­sicht­lich der Ent­wick­lung eines Höhen­hirn­ödems (HACE).
Wir emp­feh­len kein Nitro­gly­ce­rin für die Behand­lung eines HAPE.

2. Und statt Ace­tazo­l­amid Lasix?

Ant­wort: Auch hier muss ich Sie ent­täu­schen: Aceta­co­l­amid ist ein Car­boan­hy­dra­se­hem­mer, wel­cher über eine alka­li­sche Diure­se zwar harn­trei­bend wirkt, der erwünsch­te Effekt ist jedoch nicht die Ent­wäs­se­rung son­dern eine tie­fe­re und regel­mä­ßi­ge­re Atmung sowie eine ver­min­der­te Liquor­pro­duk­ti­on, was wie­der­um den Hirn­druck senkt. Infol­ge des­sen sind Indi­ka­tio­nen für die Aceta­co­l­amid-Ein­nah­me leich­te­re For­men der aku­ten Berg­krank­heit, wel­che auch mit Atem­un­re­gel­mä­ßig­kei­ten wäh­rend des Schla­fes ein­her­ge­hen. Furo­se­mid ist ein Schlei­fen­di­ure­ti­kum und hat nicht die­se Wir­kung. Die Ent­wäs­se­rung per se ist kein wün­schens­wer­ter Effekt für das Höhenbergsteigen.

3. Und statt Dexa­me­tha­son Solumedrol?

Ant­wort: Die Wir­kun­gen die­ser bei­den Glu­co­kor­ti­ko­ide sind bei äqui­va­len­ten Dosen im Wesent­li­chen gleich, die Phar­ma­ko­ki­ne­tik und ‑dyna­mik indes­sen nicht. Dexa­me­tha­son schlägt sowohl oral, i.m. als auch i.v. ver­ab­reicht schnel­ler an und die Wir­kung ist etwa dop­pelt so lan­ge wie die des Methylprednisolons.

Nachtrag

Es sind noch zwei wei­te­re drin­gen­de Fra­gen bezüg­lich prä­kli­ni­scher Medi­ka­men­ten­ga­be aufgetaucht:
Wären Ebran­til oder Tran­da­te mög­li­che Alter­na­ti­ven zu den Höhen­me­di­zi­ni­schen Medikamenten?
War­um genau hat Nit­ro die­sen (wie Sie erwähnt haben) schlech­ten Effekt auf die Hirnödembildung?

Antwort der Redaktion

herz­li­chen Dank für Ihre neu­er­li­che Anfra­ge zu Medi­ka­men­ten im Hochgebirge.

Zur ers­ten Fra­ge: Lei­der sind Ura­pi­dil (Ebran­til) und Labe­ta­lol (Tran­da­te) kei­ne Alter­na­ti­ven zur Behand­lung höhen­me­di­zi­ni­scher Erkran­kun­gen. Natür­lich kön­nen Sie Ura­pi­dil zur Blut­druck­sen­kung auch im Gebir­ge ein­set­zen. Die Wir­kung beruht im Über­wie­gen­den auf einer α1-adr­en­er­gen peri­phe­ren Blo­cka­de und damit einer Vaso­dila­ta­ti­on. Dies ist jedoch eine Wir­kung, die haupt­säch­lich den gro­ßen Kreis­lauf betrifft, wäh­rend wir bei einem HAPE den Druck im klei­nen also pul­mo­n­a­len Kreis­lauf sen­ken wol­len. Ähn­lich ver­hält es sich beim Labe­ta­lol, wel­ches α- und β‑blockierende Eigen­schaf­ten besitzt und daher noch zusätz­lich den Herz­rhyth­mus sowie die Schlag­kraft ver­rin­gert. Eine β‑Blockade birgt indes auch die mög­li­che Gefahr einer ver­min­der­ten ven­ti­la­to­ri­schen Ant­wort auf die hypo­ba­re Hypo­xie. Chris­toph Deh­nert und Peter Bärtsch haben hier­zu 2010 einen Arti­kel im HIGH ALTITUDE MEDICINE & BIOLOGY ver­öf­fent­licht: Can Pati­ents with Coro­na­ry Heart Dise­a­se Go to High Altitude?

Zur Fra­ge Nr. 2: Nitro­gly­ce­rin hat einen peri­phe­ren vaso­dila­ta­to­ri­schen Effekt durch eine Rela­xa­ti­on glat­ter Mus­kel­zel­len. Eine dosis­ab­hän­gi­ge Erhö­hung des cere­bra­len Blut­flus­ses nach Nitro­ap­pli­ka­ti­on wur­de nach­ge­wie­sen und führt daher zur Ver­meh­rung des intra­kra­ni­ellen Blut­vo­lu­mens, was wie­der­um die Ent­ste­hung eines Höhen­hirn­ödems erleich­tern kann. Auch hier­zu gibt es eine Publi­ka­ti­on, aller­dings nur eine Casu­is­tik aus dem Jah­re 2008: Gior­gio Maz­zuero et al.: Seve­re Acu­te Moun­tain Sick­ness and Suspec­ted High Alti­tu­de Cere­bral Ede­ma Rela­ted to Nitro­gly­ce­rin Use. HIGH ALTITUDE MEDICINE & BIOLOGY

Hin­weis: Alle Namen wur­den aus recht­li­chen Grün­den von der Redak­ti­on geändert/entfernt.


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