Ich habe eine Frage im Hinblick auf eine Höhenexposition während der Schwangerschaft. Ich bin momentan in der 18. Woche und fliege bald nach Usbekistan um allenfalls den Pamir Highway zu befahren. Dann wäre ich in der 23. Woche. Nun habe ich gelesen, dass man davon abrät, schwanger die 2500–3000m-Marke zu überschreiten. Dies ist jedoch in meinem Fall fast unmöglich, da die Reise mit dem Auto von Tadjikistan nach Kirgistan über einige Pässe führt, die höher sind als 3000 Meter. Ich gehe davon aus, dass es einen Unterschied macht, ob ich mich in der Höhe körperlich verausgabe, oder ob ich nur mit dem Auto einen Pass überquere.
Was kann ich tun um das Risiko für die Schwangerschaft einzugrenzen. Danke für Ihren Rat.
Antwort der Redaktion
Gestatten Sie mir zunächst einige theoretische Überlegungen. Im Hochgebirge haben wir es aus physikalischen Gründen nicht nur mit der hypobaren Hypoxie (Sauerstoffarmut) sondern ebenfalls mit einer vermehrten Strahlenbelastung zu tun. Da man schwangere Frauen sowie deren Embryo/Fetus nicht bewusst einer möglichen Gefährdung aussetzen darf, gibt es bislang nur wenig gesicherte Daten über Schwangerschaft von Tieflandbewohnerinnen in grossen (>2500m) und extremen (>5300m) Höhen.
Untersuchungen, welche bei schwangeren Andenbewohnerinnen durchgeführt wurden, haben indes einige interessante Resultate zu Tage gebracht. Zum einen weist deren fetale Oxygenierung (Sauerstoffbeladung des kindlichen Blutes) Unterschiede zu Frauen im Tiefland auf, zum anderen ist ihre Lungen-Diffusionsleistung höher als bei Frauen aus Gebieten unterhalb von 2500m. Dies deutet wohl auf eine evolutionäre Anpassung hin.
Sofern sich Schwangere permanent in grossen Höhen aufhalten, ist deren fetales Wachstum reduziert. Das verminderte mütterliche Sauerstoffangebot, wie wir es in grossen Höhen finden, ist indes nicht der Grund für dieses geringere fetale Wachstum, sondern eher ein geringeres plazentares Gewicht (Mutterkuchen).
Der Anteil einer befruchteten Eizelle, welcher später mit der Gebärmutter verschmilzt und mit dieser die Zotten ausbildet, welche für die Ernährung des Embryos zuständig sind, wird Trophoblast genannt. In grossen Höhen zeigt dieser Trophoblast eine verminderte Ausbildung von Zotten, was Untersuchungen zufolge eine absolute Reduktion von etwa 30 % Trophoblasten-Gewebe aus macht. Neben dieser Reduktion von ernährungsaktivem Gewebe scheint auch der Stoffwechsel im Trophoblasten selbst reduziert zu sein. Untersuchungen an bolivianischen Frauen haben gezeigt, dass eine Schwangerschaft in grosser Höhe (in diesem Fall 3600m) tatsächlich mit einem geringerem Geburtsgewicht assoziiert ist. Diese Frauen leben allerdings während der gesamten Schwangerschaft auf dieser Höhe, was bei Ihnen ja definitiv nicht der Fall ist.
Von eher theoretischer Überlegung für Sie ist die Tatsache, dass peruanische Frauen, welche ebenfalls die gesamte Schwangerschaft auf grossen Höhen zubringen, in den letzten drei Monaten eine geringere Gasaustausch-Leistung der Lunge haben als nichtschwangere Frauen gleicher Ethnologie. Allerdings haben Hochlandbewohner als Ausdruck ihrer Adaptation auf ihr Habitat per se eine höhere Diffusionsleistung der Lunge. Das führt dazu, dass die Geburtsgewichtsverminderung bei Babys von Hochlandbewohnerinnen geringer ausfällt als bei Frauen anderer ethnischer Herkunft, welche aber ebenfalls die ganze Schwangerschaft in grossen Höhen zubringen. All das das trifft für Sie ja nicht zu.
Kleinere Studien und die Erfahrung des Kabinendruckes in Flugzeugen belegen, dass Höhen bis 2500m keinerlei Gefahr für eine Schwangerschaft darstellen.
Bedingungen, welche die mütterliche Sauerstoffsättigung herabsetzen, stellen jedoch immer eine embryonale Gefährdung dar. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Entstehung von Carboxyhämoglobin (Co-Hb) durch das Rauchen, welches den Embryo/Fetus nachhaltig schädigt. All das oben gesagte bezieht sich auf die Alterationen infolge der hypobaren Hypoxie (Sauerstoffmangel). Allerdings ist die Akutantwort (Puls-/ Atemfrequenzerhö- hung) unseres Körpers auf grosse Höhen ebenfalls als kritisch anzusehen. Das American College of Obstetrics and Gynecology empfiehlt, dass Schwangere bei Anstrengung den Pulsschlag nicht über 140/min hochtreiben sollten. Da Schwangere einen höheren Sauerstoff-Verbrauch haben, nimmt die Herzfrequenz jedoch per se um 10 bis 20 Schläge/min zu. Es kommt weiterhin zu einem Anstieg des Plasmavolumens, was zu einer Blutverdünnung führt. Die Reserve für eine sympathische Antwort nicht akklimatisierter Schwangerer auf grossen Höhen ist daher reduziert. Schwangere Stewardessen werden von den meisten Fluggesellschaften ab dem ersten Meldetag der Schwangerschaft im Bodendienst eingesetzt, obwohl der Kabinendruck im Flugzeug künstlich auf einem Niveau von ca. 2500m aufrechterhalten wird. Die Ursache dieser Restriktion ist nicht die Höhe (2500m sind wie gesagt unbedenklich) sondern die Strahlenbelastung. Allerdings reden wir hier von Vielfliegern.
Was soll man Ihnen nun also raten? Wie Sie richtig schreiben, macht es einen Unterschied, ob Sie sich körperlich verausgaben oder nicht (Puls >140/min). Wenn Sie also mit dem Auto Pässe überqueren, werden Sie zwar eine Pulserhöhung erfahren, diese sollte aber in keinem Fall so hoch sein, als wenn Sie dies zu Fuss tun. Sofern Sie sich bei Überqueren der Pässe nicht längere Zeit (mehrere Stunden) über 2500m aufhalten, ist Ihre Reise wohl unbedenklich. Andererseits existieren hierzu keine Untersuchungen, wie ich oben bereits sagte.
Prinzipiell gilt aber, dass Schwangere, die nicht aus dem Hochland stammen, eine Höhe von 2500m nicht überschreiten sollten.
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