Hallo, ich 28, würde gern dieses Jahr nach Indien in die Region Leh/ Zanskar reisen. Dort befindet man sich auf 3500 Höhe bei Landung.
Ich hatte 2010 eine 3 Etagenthrombose, habe eine venöse insiffuizenz am linken Bein dadurch, habe einen Faktor 5 Mangel heterozygot und nehme Marcumar.Kann sich die Höhenlage darauf auswirken?
Bzw. wäre es für mich zu gefährlich sich auf dieser Höhe zu bewegen?
Ich weiss nicht inwiefern es etwas mit dem “Bein machen würde” oder wie sich Marcumar darauf auswirkt geschweige denn ob eine erneute Thrombosegefahr gegeben ist.
Mittlerweile habe ich auch gelesen das sich der INR Wert in der Höhe verändern kann, woran liegt das?
Ich wäre sehr dankbar über eine Rückantwort.
Liebe Grüße
Juliane Glockner
Antwort der Redaktion
Sehr geehrte Frau Glockner,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie berichten, hatten Sie eine tiefe Beinvenenthrombose und nehmen daher den oralen Blutverdünner Marcoumar. Daher gehe ich davon aus, dass Sie keinen Faktor V-Mangel haben, da dies mit vermehrten Blutungen einhergehen würde, sondern eine Faktor-V-Leiden-Mutation. Diese beiden genetisch bedingten Erkrankungen haben gegensätzliche Auswirkungen auf die Blutgerinnung. Wie Sie weiter schreiben, haben Sie eine heterozygote Ausprägung der Faktor-V-Mutation. D.h. von den beiden Allelen, die für die Bildung des Gerinnungsfaktors V verantwortlich sind, hat nur eines diese Punktmutation. Damit bilden Sie sowohl einen “normalen” als auch den veränderten Blutgerinnungsfaktor V.
Der Faktor V ist ein Eiweiß, welches eine zentrale Rolle in der Blutgerinnung spielt. Da aber die Blutgerinnung in unserem Körper nicht unkontrolliert ablaufen sollte, haben wir das Gegenprotein “aktiviertes Protein C” (APC), welches den Faktor V unwirksam macht. Bei der Faktor-V-Mutation ist APC indes unwirksam, so dass Faktor V weiterhin seine gerinnungsbildende Wirkung besitzt. In Europa haben ca. 5–8% aller Menschen eine heterozygote Faktor-V-Mutation, so wie Sie. Das Risiko, eine Thrombose zu erleiden ist damit 3- bis 10-fach erhöht, wenn nicht zusätzliche Risikofaktoren vorliegen (Rauchen, Kontrazeption, Übergewicht, Immobilisierung, Schwangerschaft). Der Anstieg des Hämatokrits und eine Austrocknung in der Höhe sind in diesem Kontext auch als Risikofaktoren zu sehen.
Wenn Sie nicht sowieso eine orale Antikoagulation mit Marcoumar hätten, würde man zu einer täglichen subkutanen Prophylaxe mit niedermolekularen Heparinen tendieren (Enoxaparin, Dalteparin, Nadroparin usw.). Das würde bedeuten, dass Sie sich täglich einmal eine Fertigspritze unter die Haut verabreichen. Dies trifft für Sie nur aber nur dann zu, wenn Sie keine optimale Kontrolle des INR in der Urlaubsregion gewährleisten können und Marcoumar daher für die Dauer der Reise absetzen würden.
Einer Untersuchung aus dem Jahre 2006 zufolge (siehe Quelle unten) haben die Patienten, welche orale Antikoagulantien (in diesem Fall Warfarin) einnehmen, in großen Höhen ein erhöhtes Risiko eines INR-Abfalles unter den therapeutischen Spiegel. Die Ursachen liegen einmal in einer gestörten Resorption und Metabolismus des Medikamentes in diesen Höhenlagen. Außerdem scheint die Gerinnung an sich in großen Höhen erhöht zu sein, am ehesten über die Erhöhung der Zellzahl im Blut und dem damit gesteigerten Hämatokrit.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass sich tatsächlich ein erhöhtes Thromboserisiko für Sie ergibt, wenn Sie sich in große Höhen begeben. Solange Sie den INR aber therapeutisch halten können, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Falls Sie sicherheitshalber auf Spritzen umstellen wollen, suchen Sie bitte vorgängig Ihren Hausarzt auf. Weiterhin sollten Sie während Immobilisationsphasen (Flug, Nachtruhe) das Tragen von Oberschenkel-langen Kompressionsstrümpfe erwägen.
Quelle: Martha C. Tissot van Patot et al.: Risk of Impaired Coagulation in Warfarin Patients Ascending to Altitude ( 2400 m). HIGH ALTITUDE MEDICINE & BIOLOGY Volume 7, Number 1, 2006
Mit freundlichen Grüßen
Eckehart Schöll