Bericht über den Verlauf einer Akuten Bergkrankheit mit Höhenlungenödem

Vor ein paar Mona­ten war ich mit Freun­den auf einer Trek­king­tour in Nepal. Lei­der muss­ten wir unse­re geplan­ten Berg­zie­le auf­ge­ben, weil ein Mit­glied unse­rer Grup­pe Höhen­pro­ble­me hat­te. Nach­fol­gend eine aus­führ­li­che­re Schil­de­rung mei­ner Beob­ach­tung über Ange­li­kas Zustand.

Vor­ab: Wir waren nicht das ers­te Mal im Hoch­ge­bir­ge, aber hat­ten noch nie län­ger als zwei Näch­te in Fol­ge über 4000m Höhe geschla­fen. Bei die­sen frü­he­ren Tou­ren gab es immer Schlaf­stö­run­gen und etwas Kopf­schmer­zen, die nur sel­ten mit Schmerz­mit­teln (ASS, Ibu­profen) behan­delt wer­den mussten.

Die­ses Jahr began­nen wir die Tour auf 2800m (Luk­la) und sind bis zu unse­rer Umkehr wegen der Höhen­pro­ble­me bis auf knapp 4300m über 6 Tage gestie­gen. Dabei hat­ten wir zwi­schen­durch Akkli­ma­ti­sie­rungs­ta­ge ein­ge­legt. Wir sind indi­vi­du­ell gereist, so dass wir auch nicht den “Grup­pen­zwang” hat­ten, unbe­dingt mit der Trup­pe mit­hal­ten zu müs­sen. Das Wet­ter war vor­mit­tags stets son­nig, ab Mit­tag bewölkt. Die Tages­tem­pe­ra­tu­ren lagen durch­weg im Plus­be­reich, ab 4300m gab es leich­ten Nacht­frost. Es wur­den kei­ne Medi­ka­men­te genom­men, außer denen, die in der Beschrei­bung wei­ter unten ange­ge­ben sind. Ange­li­ka ist kon­di­tio­nell sehr fit und 36 Jah­re alt.

Ein wich­ti­ger Aspekt ist noch: Ange­li­ka hat­te sich bei der Anrei­se erkäl­tet und hat­te Hus­ten, Hals­schmer­zen und einen ordent­li­chen Schnup­fen, aber kei­ne Kopf­schmer­zen, und kein Fieber.

Die erste Tour

1. Tag: Flug nach Luk­la (2800m). Kei­ne Pro­ble­me, bis auf die Erkältung.

2. Tag: von Luk­la nach Pha­k­ding (2600m). Kei­ne Pro­ble­me, bis auf die Erkältung.

3. Tag: von Pha­k­ding nach Nam­che Bazar (3450m). Ers­te Kopf­schmer­zen tra­ten bei Ange­li­ka am Abend auf.

4. Tag: Akkli­ma­tis­a­ti­ons­pau­se: Tages­tour auf 3850m und zurück. Ange­li­kas Schlaf war etwas unru­hig und mor­gens erwach­te sie mit Kopf­schmer­zen. Am Tage bei der Akkli­ma­ti­sie­rungs­tour gin­gen die Kopf­schmer­zen mit Hil­fe eines kal­ten Wasch­lap­pens auf der Stirn zurück, jedoch nicht voll­stän­dig. (Ange­li­ka ist auch zu Hau­se anfäl­lig für Kopf­schmer­zen und bekämpft sie oft erfolg­reich mit kal­tem Was­ser; im frü­hen Sta­di­um hilft auch Kaf­fee). Abends wur­den die Kopf­schmer­zen wie­der stärker.

5. Tag: von Nam­che Bazar nach Teng­bo­che (3870m). Ange­li­ka hat­te unru­hig geschla­fen, erhöh­ter Puls (genaue Wer­te hat­ten wir lei­der nicht gemes­sen). Mor­gens Kopf­schmer­zen, die nach einem star­ken Kaf­fee bes­ser wur­den und spä­ter am Tage fast ver­schwan­den. Eine ande­re Expe­di­ti­on hat­te ein Mess­ge­rät zum Mes­sen der Sau­er­stoff­sät­ti­gung im Blut mit­tels Kro­ko­dil­klem­me am Fin­ger. Ange­li­ka hat­te einen Wert von 86%. Alle ande­ren hat­ten Wer­te von 89% oder besser.

6. Tag: von Teng­bo­che nach Pang­bo­che (3950m) und Akkli­ma­tis­a­ti­ons­tour auf 4300m. Zustand unver­än­dert: unru­hig geschla­fen, mor­gens Kopf­schmer­zen. Weil die nächs­te Schlaf­hö­he nicht wesent­lich höher ist, ent­schie­den wir, nach Pang­bo­che wei­ter­zu­ge­hen. Die Kopf­schmer­zen gin­gen am Tage nicht mehr zurück (kal­tes Was­ser und Kaf­fee hal­fen nicht). Wir lie­fen lang­sam, ohne den Kreis­lauf zu sehr zu belas­ten. Am Nach­mit­tag ein Akkli­ma­ti­sie­rungs­gang auf 4300m, der auch die Kon­di­ti­on stär­ker for­der­te. Die Kopf­schmer­zen gin­gen bei der Belas­tung merk­lich zurück. Doch schon beim Abstieg wur­den die Kopf­schmer­zen deut­lich stär­ker. Am Abend war Ange­li­ka zusätz­lich appe­tit­los. Die Erkäl­tung war bis auf die Hals­schmer­zen auch nicht bes­ser. Zur Nacht hat­te Ange­li­ka 1 x Ibu­profen 600 genom­men. Hier­auf erfolg­te kei­ne Besserung.

7. Tag: Akkli­ma­tis­a­ti­ons­pau­se: Tages­tour auf (4900m). Die Nacht schlecht geschla­fen, beim Ein­schla­fen mit dem Gefühl von Atem­not wie­der erwacht, erhöh­ter Puls. Teil­wei­se war für Ange­li­ka das Sit­zen im Bett ange­neh­mer als zu lie­gen. Mor­gens die übli­chen Kopfschmerzen.

Akkli­ma­ti­sie­rungs­gang bis auf 4900m, der die Kon­di­ti­on merk­lich for­der­te. Ein­stün­di­ge Pau­se auf 4900m dann wie­der Abstieg. Auf dem Weg nach oben ging es ihr all­ge­mein bes­ser, d.h. wie ges­tern gin­gen die Kopf­schmer­zen unter Belas­tung merk­lich zurück und kehr­ten aber noch wäh­rend des Abstiegs zurück. Am Abend zusätz­lich appe­tit­los. Kon­di­tio­nell hat­ten sich bis hier­hin kei­ne Schwä­chen gezeigt.

8. Tag: von Pang­bo­che nach Phe­ri­che (4300m), dann sofor­ti­ge Rück­kehr auf (3950m). Am Mor­gen ging es Ange­li­ka nicht schlech­ter, aber auch nicht viel bes­ser. Kopf­schmer­zen, erhöh­ter Puls und Husten/Schnupfen waren unver­än­dert. Wir gin­gen trotz­dem wei­ter bis Phe­ri­che (knapp 4300m). Nach einem klei­nen Alk­kli­ma­ti­sie­rungs­gang auf 4500m ent­schie­den wir, hier abzu­bre­chen und sofort abzu­stei­gen und nicht wie geplant hier zu über­nach­ten. Die Kopf­schmer­zen waren jetzt sehr stark gewor­den, sie fühl­te sich all­ge­mein elend.

9./10. Tag: nach Nam­che Bazar (3450m). Der Rück­weg nach Nam­che Bazar beinhal­te­te auch eini­ge Anstie­ge. Ange­li­kas Kon­di­ti­on ließt jetzt spür­bar nach. In den Näch­ten auf unter 3800m konn­te sie wie­der ein­schla­fen, die Kopf­schmer­zen lie­ßen nach. Die Erkäl­tungs­sym­pto­me waren jedoch nicht bes­ser gewor­den, so beschloss sie, in Nam­che Bazar (3450m) zu blei­ben und die Erkäl­tung abklin­gen zu las­sen. Dazu nahm sie eini­ge Tage lang 3 x tägl. eine Tablet­te Paracetamol.

Zu kei­nem Zeit­punkt der ers­ten Tour konn­te fol­gen­des fest­ge­stellt wer­den: Kurz­at­mig­keit bei leichter/mäßiger Belas­tung, Müdig­keit, irgend­wel­che Haut­schwel­lun­gen, Schwin­del, Gleichgewichtsstörungen.

 

Zweiter Aufstiegsversuch (Richtung Gokyo)

Die Erkäl­tung war zwar noch nicht ganz weg­ge­gan­gen, hat­te sich aber nach dem 4. Ruhe­tag soweit gebes­sert, dass wir wie­der auf­stie­gen. Par­acet­amol nahm Ange­li­ka ab jetzt nicht mehr. Wir lie­fen in 3 Tagen von 3500m auf 4400m. Sie hat­te zunächst kei­ne Höhen­pro­ble­me. Aller­dings war sie kon­di­tio­nell etwas schwä­cher als man sie kennt. Am Mor­gen des 3 Tages (auf 4000m) kamen wie­der ers­te leich­te Kopf­schmer­zen, die am Tage aber soweit zurück­gin­gen, dass sie nicht wei­ter stör­ten. Die Näch­te schlief sie zwar unru­hig, aber nicht schlecht (öfter wur­de sie wach und hol­te tief Luft, kaum Kopfschmerzen).

Umso erstaun­li­cher war für uns alle der schnel­le “Absturz” am Ankunfts­tag in Macher­mo (4400m): Wir sind von Dole (4080m) gekom­men, was kei­ne 400m Auf­stieg sind. Zunächst fühl­te sie sich auch eini­ge Stun­den nach Ankunft sehr wohl. Dann beim Mit­tag­essen ers­te Anzei­chen von Appe­tit­lo­sig­keit, und nur zwei Stun­den spä­ter fühl­te sie sich so schlecht wie beim ers­ten Auf­stieg Rich­tung Phe­ri­che auf 4300m Höhe. Eigen­ar­ti­ger­wei­se klag­te sie nicht über Kopf­schmer­zen, dafür aber Übel­keit (ohne Erbre­chen) und all­ge­mei­nes Unwohl­sein. Sie hat­te auch einen erhöh­ten Puls, der nur schwach zu füh­len war. Die Nacht ver­brach­te sie fast nur im Sit­zen, da sie sich so bes­ser fühl­te. Zusätz­lich hat­te sich ein tro­cke­ner Hus­ten ein­ge­stellt. Auch der Schnup­fen wur­de wie­der stärker.

Die Ent­schei­dung wur­de schon am Abend getrof­fen: Bei kei­ner deut­li­chen Bes­se­rung am Mor­gen stei­gen wir wie­der ab. Von einem Berg­stei­ger­team bekam sie in Macher­mo auf 4400m eine Tablet­te Diam­ox. Ihr Zustand hat­te sich danach in der Nacht nicht gebes­sert. Hin­ge­gen bekam sie das typi­sche Krib­beln in den Extre­mi­tä­ten. Ande­re Medi­ka­men­te hat­te sie nicht genommen.

Ange­li­kas Zustand war nicht bes­ser gewor­den, wir stie­gen ab. Ihre Fit­ness hat­te wei­ter nach­ge­las­sen, aber stets war sie in der Lage, allein ihren 15kg Ruck­sack zu tra­gen. Die meis­ten Sym­pto­me hat­ten unter 3500m nach­ge­las­sen, auch die Erkäl­tung ver­schwand eini­ge Tage spä­ter voll­stän­dig, doch da waren wir schon wie­der auf dem Weg nach Hau­se. Unser Urlaub war zu Ende, kei­ne Zeit für einen neu­en Aufstieg.

Ich hof­fe, ich habe Sie mit mei­nem lan­gen Bericht nicht erschla­gen. Für uns wäre es wich­tig zu erfah­ren, an wel­cher Stel­le man das Rich­ti­ge hät­te tun müs­sen, um unser Unter­neh­men nicht schei­tern zu las­sen. Im Nach­hin­ein betrach­tet wür­de ich ein­schät­zen, sind wir bei der ers­ten Tour zu schnell und zu hoch gestie­gen. Aber auch bei der zwei­ten Tour, nach so vie­len Tagen in min­des­tens 3450m Höhe?

Ich bin mir im Kla­ren dar­über, dass es kei­ne ganz ein­deu­ti­gen Ant­wor­ten geben kann, aber viel­leicht kom­men Sie anhand mei­ner Beob­ach­tung zu Rück­schlüs­sen, die uns hel­fen zu ent­schei­den, ob wir über­haupt noch ein­mal einen Urlaub in gro­ßen Höhen ris­kie­ren kön­nen. Kann sich Ange­li­ka nur zu lang­sam an gro­ße Höhen anpas­sen, oder hat­ten mög­li­cher­wei­se bloß ande­re Umstän­de, wie die Erkäl­tung, einen so star­ken Ein­fluss, dass die Höhen­an­pas­sung schei­tern musste?

Fragen

1) Bewirkt eine Erkäl­tung, dass in grö­ße­ren Höhen kei­ne Akkli­ma­ti­sie­rung mehr mög­lich ist, bzw. wird sie sehr verlangsamt?

2) Umge­kehrt. Bewirkt eine unge­nü­gen­de Akkli­ma­ti­sie­rung, dass eine Erkäl­tung nicht aus­heilt, oder sehr viel lang­sa­mer abklingt?

3) Wie häu­fig sind Men­schen mit unter­durch­schnitt­li­cher Höhenanpassungsfähigkeit?

4) Ist es mög­lich, dass der Kör­per von Jahr zu Jahr unter­schied­lich auf gro­ße Höhen reagiert – in einem Jahr wird man deut­lich schnel­ler höhen­krank, im ande­ren nicht? Wenn ja wie kann ich das verhindern?

5) Ich habe fol­gen­des beob­ach­tet: Nach jeder Tages­etap­pe und fol­gen­der Ruhe stell­ten sich Kopf­schmer­zen ein, doch beim sich anschlie­ßen­den Akkli­ma­ti­sie­rungs­aus­flug (ca. 600…900m höher) gin­gen die Kopf­schmer­zen immer nahe­zu weg (nur noch ganz leicht vor­han­den). Beim Abstieg wur­den die Kopf­schmer­zen wie­der stär­ker und blie­ben über Nacht. War­um wer­den die Kopf­schmer­zen bei kör­per­li­cher Anstren­gung schwä­cher und bei Ent­span­nung stärker?

6) Es heißt: “In gro­ßen Höhen lang­sam gehen”. Wie ist das gemeint? Ist damit nur gemeint, dass man sich tage­lang Zeit las­sen soll, um die täg­li­che Schlaf­hö­he nicht zu schnell zu über­win­den, oder meint man auch, die Tages­etap­pe selbst lang­sam zu gehen, um mög­lichst nicht “aus­ser Pus­te” zu kom­men. (Was macht es für einen Unter­schied, ob ich die Tages­etap­pe schnell oder ganz lang­sam aufsteige?)

7) Kann man über einen Blut­test oder ähn­li­ches her­aus­be­kom­men, ob man zu den Men­schen mit schlech­ter Anpas­sungs­fä­hig­keit an die Höhe gehört? (z.B. über die Mes­sung der Sau­er­stoff­sät­ti­gung: a) gleich nach einem län­ge­ren Auf­ent­halt in mitt­le­ren Höhen und b) nach Wie­der­an­pas­sung an das Flachland?)

Antworten des Redaktionsteams

Dan­ke für Ihren sehr aus­führ­li­chen Bericht der gesund­heit­li­chen Pro­ble­me von Ange­li­ka. Sie haben das sehr inter­es­sant geschildert.

Die Höhen, in denen Sie sich bewegt haben, sind für das Auf­tre­ten höhen­spe­zi­fi­scher Pro­ble­me prä­de­sti­niert. Wir spre­chen von gros­sen Höhen zwi­schen 2500 und 5300m. Hier sind gesund­heit­li­che Pro­ble­me auf­grund des nied­ri­gen Sau­er­stoff­par­ti­al­dru­ckes mög­lich, da die Sofort­an­pas­sung des Kör­pers unzu­rei­chend ist. Eine Akkli­ma­ti­sie­rungs­zeit ist daher erfor­der­lich. Über 5300m spre­chen wir von Extrem­hö­hen. Hier gelingt kei­ne Akkli­ma­tis­a­ti­on mehr. Für Kurz­auf­ent­hal­te muss dar­um in der Regel die Atem­ant­wort ange­passt wer­den (HVR; Hypo­xic Ven­ti­la­to­ry Respon­se). Daher fin­den Sie kei­ne mensch­li­chen Sied­lun­gen ober­halb die­ser Höhe (Acon­quilcha in Chi­le gilt als höchs­te mensch­li­che Sied­lung und liegt auf 5340m.).

Wie bereits im letz­ten Mail gesagt, frü­he­re Höhen­auf­ent­hal­te ohne aku­te Berg­krank­heit (AMS; Acu­te Moun­tain Sick­ness) sind kein Garant für gene­rel­le AMS-Frei­heit. Im Übri­gen schrei­ben Sie, dass auch bei frü­he­ren Auf­ent­hal­ten Kopf­schmer­zen und Schlaf­stö­run­gen auf­tra­ten. Dies sind defi­ni­ti­ons­ge­mäss bereits Sym­pto­me der AMS (Lake Loui­se AMS-Score). Ich füge Ihnen den Score an, damit Sie ihn bei spä­te­ren Höhen­auf­ent­hal­ten bei sich haben. Ein Score­wert über 3 bedeu­tet bereits AMS.

Wei­ter­hin: kör­per­li­che Fit­ness ist eben­falls kei­ne Garan­tie dafür, kei­ne Höhen­pro­ble­me zu bekom­men. Man hat sogar fest­ge­stellt, dass AMS bei sport­li­chen jün­ge­ren Leu­ten deut­lich häu­fi­ger auf­tritt, mög­li­cher­wei­se auf­grund der kür­ze­ren Akkli­ma­tis­a­ti­on bei schnel­le­rem Auf­stieg. Was man jedoch unter allen Umstän­den ver­mei­den soll­te, ist ein wei­te­rer Auf­stieg beim Auf­tre­ten von Beschwer­den, wie sie Ange­li­ka in der Nacht nach dem 7. Tag hat­te. Sie beschrei­ben Atem­not und auf­rech­te Posi­ti­on zum schla­fen. Hier lag wahr­schein­lich bereits ein Höhen-Lun­gen­ödem vor. Dies ist eine Was­ser­an­samm­lung in der Lun­ge, die die Dif­fu­si­on von Sau­er­stoff ins Blut beein­träch­tigt. Die auf­rech­te Posi­ti­on erleich­tert das Atmen, weil damit die Blut­fül­lung der Lun­ge nicht so gross ist wie beim Lie­gen. Klas­si­scher­wei­se beginnt das Lun­gen­ödem mit einem Leis­tungs­ab­fall, spä­ter kom­men Atem­not, Frös­tel­ge­fühl, Hus­ten und teil­wei­se schau­mig bis blu­ti­ger Aus­wurf hin­zu. Die Atem­fre­quenz kann bis zu 70 Züge pro Minu­te gestei­gert sein, der Puls geht deut­lich schnel­ler. Es kann ein Enge­ge­fühl im Brust­korb auf­tre­ten. Manch­mal kann man bereits mit blos­sem Ohr Ras­sel­ge­räu­sche beim Atmen hören. Die Ursa­che des Ödems ist ein erhöh­ter Blut­druck in der Lun­ge (so genann­ter klei­ner Kreis­lauf). Das Medi­ka­ment der Wahl ist hier im Augen­blick Nife­di­pin (Ada­lat) 20mg alle 8 Stun­den. Es senkt den Blut­druck im klei­nen Kreis­lauf. Ande­re Medi­ka­men­te sind momen­tan in der Erprobung.

Ihnen ist auf­ge­fal­len, dass sich die Sym­pto­ma­tik beim Auf­stieg ver­bes­ser­te und bei Ruhe­pau­sen oder Abstieg ver­schlech­ter­te. Dies hängt mit der höhe­ren Atem­fre­quenz bei Anstren­gung (Auf­stieg) zusam­men, die auto­ma­tisch auch eine bes­se­re Sau­er­stoff­sät­ti­gung des Blu­tes nach sich zieht. Man kennt sie­ses Phä­no­men von Passüberschreitungen.

Kom­men wir zu Ihrem Bericht zurück: am 8. Tag sind Sie etwa 350 Höhen­me­ter abge­stie­gen und am fol­gen­den Tag wie­der­um auf­ge­stie­gen. Die Emp­feh­lung bei sol­chen Sym­pto­men ist jedoch ein Abstieg um min­des­tens 1000 Höhen­me­ter oder auf die Höhe der zuletzt beschwer­de­frei ver­brach­ten Nacht. Dass sich Ange­li­ka auf 4500m elend fühl­te, ist daher eini­ger­mas­sen verständlich.

Beim zwei­ten Auf­stiegs­ver­such beschrei­ben Sie all­ge­mei­nes Unwohl­sein, einen erhöh­ten schwa­chen Puls, sit­zen­de Posi­ti­on in der Nacht, Hus­ten. Die Diam­ox­ga­be dürf­te Ange­li­ka in die­ser Situa­ti­on wenig gehol­fen haben. Das Medi­ka­ment führt zu einer Über­säue­rung und wird bei AMS und Höhen­hirn­ödem aber nicht beim Lun­gen­ödem verabreicht.

Nun zu Ihrer Fra­ge zum Zusam­men­hang zwi­schen Erkäl­tung und Höhen­pro­ble­men. Es gibt tat­säch­lich Unter­su­chun­gen und Hin­wei­se dar­auf, dass bei Atem­wegs­in­fek­ten die Anfäl­lig­keit gegen­über Höhen­lun­gen- öde­men grös­ser ist. Bei­de Krank­heits­zu­stän­de gehen mit Ver­än­de­run­gen peri­phe­rer Bio­mar­ker, Sau­er­stoff­ra­di­kal­bil­dung, Ske­lett­mus­kel­zer­stö­rung und erhöh­tem Eiweiss­Stoff­wech­sel ein­her. Daher ist es mit Sicher­heit sinn­voll, bei vor­lie­gen­den Atem­wegs­in­fek­ten beson­de­res Augen­merk auf die Akkli­ma­tis­a­ti­on zu legen, falls man sei­nen Höhen­auf­ent­halt nicht bis zur Gene­sung ver­schie­ben möchte.

Die Fra­ge, wie häu­fig Men­schen mit unter­durch­schnitt­li­cher Höhen­an­pas­sungs­fä­hig­keit sind, kann so nicht beant­wor­tet wer­den, da die Akkli­ma­tis­a­ti­on ganz ent­schei­dend von der Auf­stiegs-Tak­tik abhängt. Höhen­taug­lich­keit wird neben den im letz­ten Mail genann­ten gene­ti­schen Fak­to­ren auch vom aktu­el­len Gesund­heits­zu­stand, dem Aus­mass der HVR, der Erhö­hung des Blut­dru­ckes im klei­nen Kreis­lauf sowie von der psy­chi­schen Ver­fas­sung (Stress, Angst usw.) beein­flusst. Kei­nen Ein­fluss haben hin­ge­gen das Alter, das Geschlecht oder der Ausdauertrainingszustand.

Die bei­den vori­gen Ant­wor­ten klä­ren damit die Fra­ge, ob man von Jahr zu Jahr unter­schied­lich auf die Höhe reagiert. Die Ant­wort ist prin­zi­pi­ell: nein. Aller­dings muss der Brei­ten­grad beach­tet wer­den: Durch die Erd­ro­ta­ti­on ist der Luft­druck auf glei­cher Höhe umso gerin­ger, je näher man den Polen kommt. Daher kann bei glei­cher Akkli­ma­tis­a­ti­ons­tak­tik mög­li­cher­wei­se der Kili­man­dscha­ro aber nicht glei­cher­mas­sen der Mt. McKin­ley bestie­gen werden.

Zu Ihrer 6. Fra­ge: Prin­zi­pi­ell soll­te man die Jojo-Tak­tik ein­schla­gen: hoch­ge­hen bis maxi­mal 1000 Höhen­me­ter über die vori­ge Schlaf­hö­he hin­aus und tie­fer als die Tages­höchst­hö­he schla­fen. Nach erfolg­ter Akkli­ma­tis­a­ti­on (Rück­kehr des Ruhe­pul­ses) muss man sich bei erneu­tem Auf­stieg auch von neu­em akklimatisieren.

Einen all­ge­mein gül­ti­gen Test einer Höhen­taug­lich­keit gibt es bis­lang nicht. Im Übri­gen wür­de sich auch nie­mand dar­an hal­ten… Aller­dings ist es von Vor­teil, wenn man im Tief­land eine gute Sau­er­stoff­sät­ti­gung (99- 100%) hat, da die­se suk­zes­si­ve mit der Höhe fällt. Men­schen, die z.B. nur über eine 94%ige Sau­er­stoff­sät­ti­gung im Tief­land ver­fü­gen, haben mög­li­cher­wei­se einen klei­nen „Kurz­schluss“ im Lun­gen­kreis­lauf, so dass nicht alles Blut aus­rei­chend mit Sau­er­stoff gesät­tigt wer­den kann. Dies wäre im Hoch­ge­bir­ge natür­lich ein ent­schei­den­der Nachteil.


Mein Kol­le­ge hat Ihnen ja bereits aus­führ­lich auf Ihre inter­es­san­ten Fra­gen geant­wor­tet. Da ich ein­mal vor Jah­ren als Staff Doc­tor der Hima­la­yan Res­cue Asso­cia­ti­on in Phe­ri­che gear­bei­tet habe und das Gebiet gut ken­ne, möch­te ich noch eini­ge per­sön­li­che Anmer­kun­gen an die Aus­füh­run­gen anfügen.

1. Bei Infek­ten der obe­ren Atem­we­ge soll­te man eigent­lich grund­sätz­lich davon abse­hen, in mitt­le­re Höhen vor­zu­stos­sen, weil man weiss, dass man dann eher höhen­krank wird.

2. Ange­li­ka war per Defi­ni­ti­on am 6. Tag höhen­krank. Und bei einer mani­fes­ten Höhen­krank­heit darf man ein­fach nicht wei­ter in die Höhe wan­dern. Auch wenn dies “nur” Akkli­ma­tis­a­ti­ons­tou­ren sind. Übri­gens: es wird grund­sätz­lich zu viel von die­sen Akkli­ma­tis­a­ti­ons­tou­ren gehal­ten. Bes­ser wäre ein wirk­li­cher Rast­tag, an dem man/frau nichts macht aus­ser Ras­ten, Essen, Schla­fen, etc.

3. Am 6. Tag beschrei­ben sie ein “auf Ibu­profen the­ra­pie­re­sis­ten­tes Kopfweh”…auch hier: dies ist schon ein mitt­le­res Sta­di­um der aku­ten Bergkrankheit.

4. Die beschrie­be­ne Tour ist bekannt für eine schwie­ri­ge Akkli­ma­tis­a­ti­on, weil man nach Luk­la hoch­fliegt (2800m), dann aber schon bald in Nam­che Bazar auf 3450m ist, und es zudem ein ziem­lich sat­ter Auf­stieg ist da hoch. Soll­ten sie wie­der mal da hin­ge­hen, lau­fen sie von Jiri nach Luk­la und dann wei­ter hin­auf. Dann haben sie das authen­ti­sche Gefühl der frü­hen Expe­di­tio­nen, wel­che näm­lich von Jiri los­ge­lau­fen sind, sie sind in einer wun­der­ba­ren Gegend mit noch weni­ger Tou­ris­ten, und sie haben schlicht mehr Zeit, sich zu akklimatisieren.
Fazit: neh­men sie sich noch mehr Zeit, akkli­ma­ti­sie­ren sie sich noch län­ger, machen sie rich­ti­ge Rast­ta­ge, und stei­gen sie unter kei­nen Umstän­den wei­ter auf, wenn jemand höhen­krank ist, und sie wer­den in Zukunft noch mehr Freu­de an Ihrem Hob­by haben.

 

Hin­weis: Alle Namen wur­den aus recht­li­chen Grün­den von der Redak­ti­on geändert/entfernt.


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  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich bestieg mit einem Freund am 18.08.2018
    den Mt. Fuji in Japan. Wir starteten in Tokio auf Meereshöhe und fuhren mit dem Bus auf die 5. Station auf 2350m. Dort begannen wir den Anstieg um 14:00 Uhr und erreichten unseren Schlafplatz auf einer Berghütte um 19:00 Uhr. Dort hatten wir beide leichte Kopfschmerzen. In der Nacht hatten wir erhöhten Puls (89 Schläge die Minute). Nachdem sich nichts besserte und auch Appetitlosigkeit dazukam, beschlossen wir um 1:00 Uhr nachts wieder auf 2350m abzusteigen. Bei dem Abstieg kam bei mir noch Übelkeit (ohne Erbrechen) hinzu. Am Tag danach auf Meereshöhe fühle ich mich deutlich besser, doch noch immer etwas benebelt. Gibt es noch etwas zu beachten?

    Vielen Dank für Ihre Zeit

    • Danke für den Kommentar. Die Berghütte, in welcher Ihr übernachtet habt, liegt in etwa auf 3'200m. Kopfschmerzen sind hier völlig normal und bei unakklimatisierten Wanderern fast obligat. Der für Euch scheinbar erhöhte Puls ist noch im Normbereich (60-100 Schläge pro min.) und nicht besorgniserregend. Appetitlosigkeit und Übelkeit sind ebenso wie die Kopfschmerzen normale Anzeichen der Akuten Bergkrankheit (AMS). Ab 2'500m kann man damit rechnen. Wenn die Symptomatik nicht schlimmer wird, kann man aber eigentlich auf dieser Höhe einen oder zwei Tage abwarten, bis es einem besser geht. Ihr habt die absolut sichere Variante gewählt und seid abgestiegen, was nachvollziehbar ist.
      Dass es auf Meereshöhe rasch besser wurde, ist tatsächlich die Regel. Der Umgebungsdruck der Luft hat wieder zu einer ausreichenden Sauerstoffbeladung Eures Blutes geführt und damit ist das Problem behoben. Wir bekommen hin und wieder Anfragen, ob die Höhenkrankheit auch länger als einige Tage anhalten kann, wenn man wieder im Tiefland ist. Das ist nicht der Fall, wenn es nicht zu einer stärkeren Schwellung des Gehirns gekommen ist (Höhenhirnödem - HACE). In diesem Fall torkeln die Betroffenen aber und das ist dann nicht mehr ungefährlich.